Comsha Stein: Die Feuertaufe. Der erste Fall der Schamanin. (Die Gebietsschützerin 1)

ein „Urlaubsschmöker“-Krimi

Cover Feuertaufe 

Dieser im Selfpublishing erschienene Roman interessierte mich aufgrund des ungewöhnlichen Genres: Die Verwaltungsangestellte Marie wird Schamanin und bekommt gegen ihren Willen die Aufgabe, Straftaten in dem ihr zugeteilten Gebiet zu verhindern. Das klingt spannend!

 

 

 

 

 

Das Buch fängt nach einem kurzen (und für mich irritierenden) Vorwort über die geringe Zahl real verschwundener Kinder mit einem Unfall an, den Marie hat – wodurch Lesende sofort in die Handlung geworfen werden. Ich war begeistert von der lyrischen, bildreichen Sprache und bin gern in diesen Text eingetaucht. Leider verwandelte sich der anfängliche Enthusiasmus nach den ersten Seiten in Ernüchterung: Statt dass die Handlung nun losgeht, werden immer neue Fäden aufgemacht und Maries Umgang mit ihrer neu gewonnen Fähigkeit, Geister zu sehen, erscheint mir wenig nachvollziehbar: Sie hat keinerlei Verständnis dafür, dass ihr Mann nicht nachts wegen irgendwelcher Geister geweckt werden will.

Die Idee an sich ist spannend für mich: Eine bodenständige Frau hat nach einem Unfall eine neue Fähigkeit: Sie sieht Geister. Daraufhin schmeißt sie ihren Job hin und wird Schamanin. Leider ist für mich nicht nachvollziehbar, warum sie diese Entscheidung trifft. Was führt dazu, dass sie ihren Beruf als Verwaltungsangestellte aufgibt? Warum kann sie nicht Schamanismus neben ihrem Beruf betreiben? Marie scheint relativ kühl, ich als Leserin spüre kaum, wie ihre neue Fähigkeit sie verunsichert, die Grundfesten ihres Glaubenssystems erschüttert. Dabei denke ich, wenn ich mich in sie einfühle, dass es wohl so sein müsste. Als auch noch Maries Partnerschaft in die Brüche geht, macht ihr das zwar sehr zu schaffen, ich erfahre aber für meinen Geschmack zu wenig darüber, warum sie so wenig mit ihrem Mann verbunden bleiben kann. Insgesamt erlebe ich mich beim Lesen als ein wenig mit den Beinen trappelnd: Ich erwarte einen Krimi, habe aber erst einmal keinerlei Idee, wo hier eigentlich ein Krimi ist. Eher scheint es um die Selbstfindung einer (stellenweise etwas klischeehaft anmutenden) Frau zu gehen. Marie erscheint dabei als ein zynischer, abgebrühter Mensch, der mit nichts und niemandem wirklich verbunden ist. Die Freundin umarmt sie beispielsweise, weil es von ihr erwartet wird, aber nicht aus einem Gefühl der Verbundenheit heraus.

Interessant für mich ist der Einblick in die Arbeit einer Schamanin. Dadurch bekommt der Text eine fantastische Komponente, wobei es streitbar ist, ob er nicht doch ganz im Hier und Jetzt spielt – und Schamanismus einfach eine mir nicht zugängliche Realität ist. Die schamanischen Reisen, die ich als Leserin miterleben darf, sind interessant, haben aber leider Längen. Vielleicht liegt das aber auch einfach daran, dass ich kein Fan von Beschreibungen bin. Als nicht wirklich gelungen erlebte ich die auf mich oberlehrerhaft wirkenden Einschübe des schamanischen Blicks auf so spannende Themen wie Abtreibung oder Schmerz. Warum diese nicht direkt im Text verhandelt werden (im fiktiven Gespräch von Marie mit ihren Kund:innen oder wenigstens in ihren Gedanken) leuchtet mir nicht ein. Stattdessen scheint es hier einen allwissenden Erzähler zu geben, der mir seine Weisheit präsentiert. Das ist schade, denn die verhandelten Themen sind enorm ansprechend. Es ist auch schade, weil der Schreibstil im Rest des Buches sehr locker und gefällig ist, mit lyrischen Vergleichen und Bildern, die ich mehrfach las, weil ich sie so mochte. Auch der Humor, der sich oft in Situationskomik zeigt, ist für mich ein großes Plus des Buches.

Ungefähr in der Mitte des Romans nahm die Handlung dann Fahrt auf. Die Protagonistin kam mir näher und es war klar, welche Straftat sie verhindern soll. Einigermaßen erstaunt nahm ich zur Kenntnis, dass die Straftat doch stattfindet: Ein Kind wird entführt. Aber wie kann Marie den Kindesentführer läutern und das Kind heil nach Hause zurück bringen? Ein spannendes Element ist auch, dass es ausgerechnet der Mann ist, in den sie sich gerade verguckt hat, der das Kind entführt. Kommt sie trotz seiner Handlung mit ihm zusammen?

Für diese Kombination aus Krimi und Liebesgeschichte gibt es garantiert ein Publikum, aber meinen Geschmack trifft es nicht: Es liest sich zu sehr nach Sommer-Strand-Lektüre, eine Spur zu seicht, zu wenig aggressiv. In die gleiche Richtung läuft dann auch die Handlung: Zunächst scheint der Täter keine klassisch pädophile Motivation zu haben, was ich sehr mochte. Ich wünschte ihm sogar, dass er mit Marie zusammenkommt, fand ihn einen sympathischen Entführer (und das ist ja wirklich mal etwas Anderes). Entsprechend war ich enttäuscht, als sich die Handlung dann doch dem Klischee des Pädophilen annäherte.

Zum Ende hin ist das Buch sehr spannend, ein Pageturner, der mehr und mehr surreal wird. Die Beweggründe und der Charakter des Täters blieben dabei für meinen Geschmack zu vage, er wird zum besessenen Monster, obwohl er anfangs sehr sorgfältig aufgebaut ist – so sorgfältig, dass er mir sympathischer war als Marie. Kein Wunder, dass ich nicht damit einverstanden bin, ihn zu „vermonstern“. Auch bedient das Buch leider Klischees über Psychiatrie: Ich habe nie erlebt, dass jemand geknebelt wurde (und das wäre auch eine Straftat, die Marie als Gebietsschützerin verhindern müsste).

Insgesamt bleibt mein Fazit also durchwachsen. Wer etwas leichte Kost sucht, Freude an einem lockeren Schreibstil hat und nebenbei noch etwas über Schamanismus erfahren will, ist mit diesem Buch sicher gut bedient. Aber wer, wie ich, den Protas gern wirklich auf die Pelle rückt, wird eher enttäuscht sein. Dabei weiß ich nicht einmal, was mich davon abhielt, mich Marie wirklich nahe zu fühlen. Im Text steht viel über ihre Gefühle und Wahrnehmungen, trotzdem bleibt sie mir auf merkwürdige Weise fern. Ich habe keine Idee, wie es ihr eigentlich geht mit ihrer Arbeit als Gebietsschützerin. Wie geht es einer Person, die tun muss, was das Universum von ihr fordert? Was macht es mit ihr, wenn ihr Weltbild plötzlich auf den Kopf gestellt wird und Geister bei ihr anklopfen? 

 Das Buch ist bei Amazon, sowie auf der Webseite der Autorin erhältlich: https://comsha.de/