Michael Hirtzy: Gutabara. Vorteks 1. Selbstverlag

spannende Kriminalstory im All – leider ohne Auflösung

Hirtzy GutabaraColonel Vardans erhält auf einem Raumschiff eine unerwartete Nachricht: Eine Frau ruft ihn an. Er und die anrufende Frau zicken sich an, beide erscheinen gleichermaßen unsympathisch und unreif und ich frage mich, was ich mit dieser Schilderung soll, zumal ich nicht verstehe, worum es geht.
Dann wechselt die Perspektive zu Val auf der titelgebenden Gutabara, auch dies ist ein Raumschiff. Val ist erste Offizierin, erwacht aus dem Kryoschlaf und erscheint mir sympathischer als Vardans. Dann wechselt der Text zu Jerome, der wohl – vielleicht – nun wirklich die Person ist, um die es geht. Seid ihr verwirrt? Ich auch.
Mich irritierten die vielen Perspektivwechsel. Sie erschwerten mir die Orientierung und verhinderten, dass ich mit einer Person warm wurde. Meine Sympathien lagen am ehesten bei Jerome, wobei ich gern wissen wollte, warum er nach dem Aufwachen unter so starker körperlicher Schwäche leidet. Auch das erweist sich aber als nicht verfolgte falsche Fährte, die bis zum Ende des Buches nicht wieder aufgenommen wird. Jeromes Perspektive bricht einfach ab. Auch Vardans kommt nie wieder vor. Kurz vor Ende wird noch eine neue Perspektive eingeführt, die ebenfalls nicht wieder aufgegriffen wird. Trotzdem ist dieses Buch eines der wenigen, die ich bis zum Ende gelesen habe. Nanu, was ist da los?

Hirtzy erzählt in kurzen Kapiteln, die mit dem Handlungsort überschrieben sind. Inhaltlich geht es um ein in der SF altbekanntes Setting: ein Raumschiff mit einer Crew im Kryoschlaf. Anfangs hielt ich das Schiff angesichts der Schilderungen für ein Militärschiff, das Grenzpatrouillen macht. Dazu passt aber die großenteils laxe Hierarchie nicht ganz – die dann doch nicht so lax ist wie behauptet. Erst kurz vor Ende verstehe ich, dass das Schiff einer Firma gehört, die Notfallhilfe anbietet. Der Captain der Gutabara ist verschwunden und die Crew – die ich aufgrund der für mich blassen Figurenzeichnungen und der verwirrenden englischen Rangbezeichnungen erst spät richtig zusammensortieren kann – versucht herauszufinden, was passiert ist. Gerade als ich begreife, welche fünf Leute zur Crew gehörten, werden weitere geweckt.
Obwohl die Handlung spannend ist, hat mich der Text nicht richtig packen können. Dazu sind mir einerseits die Figuren zu blass, andererseits ist der Text für meinen Geschmack zu langatmig und liefert mir ausführliche Schilderungen der Schiffstechnik oder des Aussehens von Gängen und Räumen an Stellen, an denen diese irrelevant für die Handlung sind. Gestört haben mich auch unlogische Details, wie, dass die neu geweckte Ärztin Val und die Anderen dringend in die Krankenstation ruft, sie dann aber stehen lässt, ohne ihnen etwas mitzuteilen. Später wird Val noch einmal gerufen und wieder werden ihr erst einmal ein Kapitel lang Nebensächlichkeiten berichtet, bevor sie erfährt, was wichtig ist. Insgesamt entsteht in mir der Eindruck, dass für die Länge des Textes einfach nicht genug passiert. Hirtzy hält zwar bis zur letzten Seite die Spannung und das auch sehr gekonnt auf beiden Plotebenen – aber keine einzige der spannungsgebenden Fragen wird beantwortet. So wirkt „Gutabara. Vorteks 1.“ auf mich wie eine Leseprobe, aber nicht wie ein in sich abgeschlossener Serienteil. Dass der Captain drei Kapitel vor Schluss gefunden wird, ändert für mich nichts daran, dass ich mit dem Aufbau des Buches Schwierigkeiten habe.

Schwierigkeiten habe ich auch mit den Beziehungen zwischen den Crewmitgliedern, die viel Raum einnehmen und die zweite Plotebene bilden. Val ist recht neu auf dem Schiff und von Außen direkt an Position zwei gekommen – sie wird darum nicht von allen akzeptiert. Sie muss sich ständig durchsetzen und künstlich aufplustern. Auf mich wirkt das peinlich und unangemessen, wie ein pubertärer Zickenkrieg. Ich finde es auch unglaubwürdig: Wenn die Besatzung in Krisensituationen geweckt werden und funktionieren soll, und sie dies offensichtlich nicht tut, dann sollte der Weltenbau dafür eine glaubwürdige Erklärung liefern. Diese fehlt aber. Möglicherweise soll die Erklärung in den Charakteren der Crew liegen, hier gelingt es Hirtzy aber meiner Meinung nach nicht ausreichend, diese lebendig werden zu lassen. Für meinen Geschmack sind die Figurenzeichnungen dazu nicht fein genug, die Sprechstimmen und Dialoge einander zu ähnlich.

Sprachlich lässt sich der Text gut lesen, er bedient sich einer schnörkellosen und glatten Sprache. Als Fan von Sprachspielen und besonderen Bildern ist da für meinen Geschmack noch deutlich Luft nach oben. Mich stören auch die recht häufigen Phrasen, beispielsweise „weckte ihre Lebensgeister“ oder „rollte über sie wie eine Welle“. Die gesamte Crew wird eine Person nach der anderen recht schematisch vorgestellt, was bei mir stets dazu führt, dass ich die für mich unnützen Angaben von Alter und Frisur sofort wieder vergesse. Besonders stören mich aber die auf fast jeder Seite vorkommenden grammatikalischen Fehler, kleine Wortverwechslungen (wie „darin“ obwohl „daraus“ gemeint ist) und Umständlichkeiten, über die mein Sprachnerdhirn immer wieder stolpert. Hier hat Melanie Vogltanz, die laut Impressum für Lektorat und Korrektorat verantwortlich ist, offenbar einiges übersehen. Nicht zuletzt: Hirtzy arbeitet viel und gern mit Vergleichen, allerdings habe ich sämtliche Vergleiche schon häufig gelesen und meist passen sie nicht recht zum Setting: Müdigkeit fällt ab wie eine Bleischürze, jemand stürmt, „wie von der wilden Horde gejagt“ usw.

Fazit:
Der Aufbau und das Aufrechterhalten von Spannung und das Meiden von Geschlechterklischees sind Hirtzy meines Erachtens gut gelungen, man rätselt gern mit, was denn nun passiert ist. Die Männer und Frauen handeln alle individuell, sind unabhängig vom Geschlecht in ihren Positionen vertreten und alle dürfen zickig sein. Das Verhältnis von Männern und Frauen in der Crew scheint ausgewogen.
Ich gehe davon aus, dass das Buch sich an Fans klassischer Weltraumromane richtet, die Technikgebabbel und Spannung mögen. Diese kommen hier auch voll auf ihre Kosten. Wer eher an Beziehungen und Weltenbau interessiert ist, wie ich, bleibt etwas enttäuscht zurück.

Unterhaltung: 2 von 3
Sprache/Stil: 1 von 3
Spannung: 2,5 von 3
Charaktere/Beziehungen: 1,5 von 3
Originalität: 0,5 von 3
Tiefe der Thematik: 1 von 3
Weltenbau: 2 von 3
Gesamt: 10 von 21