Perry Rhodan 3195
Robert Corvus: Der Überläufer. Vorstoß zu FENERIK - ein Schiff will Rache. Pabel-Moewig

rasantes Häh?

PR3195Jol goes Perry Rhodan – wie kommt denn das zustande? Um zu erklären, warum ich mich hier zu einem Perry-Rhodan-Heft äußere, muss ich etwas ausholen. Zunächst die Einordnung: Perry Rhodan ist eine Heftromanserie, die 1961 gegründet wurde und seitdem ununterbrochen wöchentlich erscheint. Ich habe Heft Nummer 3195 gelesen, inzwischen sind mehr als 3200 Hefte erschienen. Die Auflage betrug 2019 jeweils 60.000 Hefte, ich denke, dass kaum ein Science-Fiction-Buch da mithalten kann.
Im Science-Fiction-Fandom entbrennt seit einigen Jahren ein Streit um die Frage, warum Perry-Rhodan-Hefte bei den Genre-Preisen Deutscher Science-Fiction-Preis (DSFP) und Kurd Laßwitz Preis (KLP) so wenig vertreten sind. Einige Stimmen vertreten die Ansicht, dass Perry Rhodan (PR) die deutsche SF enorm geprägt hätte und dass es daher auf einen Mangel bei der Preisvergabe hinweise, wenn PR-Autor*innen in den Nominierungslisten oder unter den Preisträgern kaum auftauchen. Ich für mich kann festhalten, dass ich mit osteuropäischer und ostdeutscher SF aufwuchs. Mit Perry Rhodan kam ich erst als junge erwachsene Person in Kontakt, ein Kontakt der mich so wenig begeisterte, dass ich mir nach dem ersten nie wieder ein zweites Heft gekauft habe. Stattdessen gab es eine John-Sinclair-Phase. Das ist über zwanzig Jahre her und ich bin froh, ihr entwachsen zu sein. Hier soll es nur darum gehen, dass meine SF-Kariere ;) nicht von PR geprägt ist. Mir sagte zwar der Name etwas, mehr aber auch nicht.
Im Scifinet-Forum gab es eine rege Diskussion um die Frage „Preise und PR“, die Diskussion wurde außerdem in einschlägigen Magazinen (Sol, Andromeda Nachrichten) vorangetrieben. Eine herangezogene Erklärung für das Fehlen der Heftromane in den Nominierungslisten war neben der Tatsache, dass beispielsweise der Deutsche Science-Fiction-Preis Heftromane von der Preisvergabe schon qua Statuten bis vor kurzem ausschloss, die Frage, ob Perry-Rhodan-Hefte unabhängig voneinander lesbar seien. Kann man als Lesende*r ohne Kenntnis des Perryversums einfach so ein Heft in die Hand nehmen und lesen? Robert Corvus, einer der 14 Autor*innen im aktuellen PR-Team der PR-Erstauflage (davon drei Frauen) behauptete: Ja. Er behauptete auch, dass es ein Vorurteil sei, dass Heftromane keine Qualität böten und dass die Romane auf der Höhe der Zeit seien und Diversität und Modernität bieten. Darum ließ ich mich auf ein Experiment ein: Ich, als Person, die für den KLP abstimmungsberichtigt ist, lese ein von Robert Corvus empfohlenes PR-Heft und blogge darüber. Hier ist das Ergebnis.

Äußere Wirkung und Aufmachung


Das sepiafarbene Cover zeigt ein Alien in einem Schiff. Das Alien wirkt humanoid, hat aber vier in Zweierpaaren hintereinander positionierte Arme und einen langgezogenen Kopf mit roten Riesenaugen. Auf mich wirkt das Cover nicht sehr einladend. Die Personen in meiner Umgebung, denen ich es gezeigt habe, teilten meine Einschätzung, dass es wie ein Cover aus den 1970er Jahren wirke – allerdings in heutiger guter Auflösung und mit phantasievollem Allien –, wie etwas, das man eher nicht offen herumliegen hat, weil es etwas peinlich wirkt. Das Cover wurde außerdem vereinzelt als gruselig empfunden. Aber natürlich ist Coverdesign letztlich eine Geschmackssache.
Im Heft folgt auf der dritten Seite ein einordnender Vorspann mit dem Bild eines männlich wirkenden Kopfes mit Raumhelm, ebenfalls im 1970er Stil. Auf Seite vier beginnt der eigentliche Text, mit dem ich meine Mühe hatte. Da im zunächst erworbenen E-book das Glossar nicht leicht zugänglich ist, kaufte ich zusätzlich das gedruckte Heft, um einen ernsthaften Versuch des Verständnisses zu wagen. Mit dem E-book konnte ich noch glauben, einen „ganz normalen Roman“ vor mir zu haben: 150 Seiten und eine übliche Formatierung. Das gedruckte Heft erlaubt diesen Eindruck nicht. Es wirkt mit dem dünnen grauen Papier, dem Satz in zwei Spalten und der winzigen Schrift wirklich wie ein preiswerter Heftroman und hat nur etwas über sechzig Seiten. Die enthaltenen kleinteiligen schwarz-weiß-Illustrationen verstärken das Gefühl des Aus-der-Zeit-Gefallenen, zumal es mir nicht gelingt, die Illustrationen mit dem Text in Einklang zu bringen. Im hinteren Teil enthält das Heft neben Werbung für Fanartikel mehrere „Leserkontaktseiten“ in denen Leser*innenbriefe und Antworten darauf abgedruckt sind, was den Zeitschriftencharakter verstärkt und noch einmal deutlich macht, wie ernst PD die Fanbindung nimmt. Das gedruckte Heft kostet 2,50€ pro Ausgabe, das E-book 1,99€, es ist also wirklich wesentlich preiswerter als die meisten Romane.

mein Einstieg


Als das gedruckte Heft hier ankam, musste ich kichern: Das Glossar enthält genau vier Einträge und erklärt mir zu den Überläufern (zwei der Einträge) Dinge wie „Ebenfalls als Beobachter und Berater anwesend sind der Tefroder Prod-Asmaad von der Gläsernen Insel und die Akonin Yrril Guld vom Energiekommando“. Leider weiß ich weder, was ein Tefroder, noch was eine Akonin ist, die Namen sagen mir als Serien-Neuling nichts. Immerhin glaube ich nun zu verstehen, dass Hookadar die Entscheidung, überzulaufen, offenbar nicht individuell getroffen hat – was sich, wenn ich das nach Lektüre des gesamten Heftes richtig einordne – als falsch erweist. Mithilfe des Glossars kann ich nun auch sicher sagen, dass das Titelbild zwar einen Laichkangen darstellt, dass es aber fehlerhaft ist: Laichkange, so erklärt mir das Glossar, gehen stets barfuß (auf dem Titel trägt das Alien dicke Space-Schuhe), sie haben vier Finger (Titel: zwei) und eine Sprechmembran (Titel: keine Membran zu sehen). Der Glossar-Eintrag „Keji“ erklärt mir eine Spezies, die ich in dem Heft nicht gefunden habe (vielleicht ging sie mir unter den zahlreichen unbekannten Spezies verloren), der Eintrag „Mnemo-Deletor“ beschreibt ein Gerät, das im Roman nur am Rande eine Rolle spielt. Das Glossar erwies sich für mich als Einstiegshilfe somit als nicht hilfreich (Inzwischen weiß ich, dass es so auch nicht gedacht ist: Es handelt sich eher um eine Art fortlaufendes PR-Lexikon, dem in jedem Heft einige Einträge hinzugefügt werden). Wenn ihr nach der Lektüre dieses Abschnittes nun nur Fragezeichen denkt, dann geht es euch wie mir. Aber haltet durch, ich werde das Dunkel noch lichten.

Der Vorspann vor dem eigentlichen Text soll wohl Neulingen wie mir den Einstieg erleichtern und den Bogen zu den Vorheften spannen, allerdings ruft er bei mir weitgehend Fragezeichen hervor. Der Roman spielt im Jahr 6559 und FENERIK scheint eine Art Schiff zu sein, das in der Galaxis gestrandet ist und auf die Milchstraße zustürzt. FENERIK, so ist zu lesen, ist ein Chaoporter. Aber was ist das? Auch das Glossar erklärt es nicht. „Drei von fünf Quintarchen sind mittlerweile gestorben, der vierte, Farbaud, ist im Gewahrsam der Galaktiker.“ Aber was ist ein Quintarch und was ein Galaktiker?
Es folgt eine Liste der sechs Personen des Heftromans, beginnend mit „Hookadar – der Verräter ist ein Träumer“. Ich habe die Liste mehrfach gelesen, konnte daraus aber keinerlei Informationen ziehen, außer der, dass von den sechs Personen vier männlich sind, eine weiblich und eine weitere nicht organisch („Die Sextatronik ist rachsüchtig“). Im weiteren Verlauf konnte ich nicht verstehen, warum die Sextatronik überhaupt als Person gesehen wird, eine Persönlichkeit dieser KI kann ich nicht wahrnehmen. Wir haben also rein von der Aufstellung der Personen ein typisches „Smurfette-Principle“: fünf lebende Personen, davon in einem rein männlichen Cast nur eine Frau.
Meine Vorannahme bestand darin, dass Perry Rhodan Hard Science-Fiction sei, ich rechnete also mit jeder Menge Physik und viel Technikerklärung, dazu viel Kampf. Ein wenig wie Star Trek. Der zunächst leicht lesbare Text, in den ich nun einstieg, beginnt mit der Erzählung einer Befreiung: Farbaud, der Quintarch, wird von Hookadar befreit. Hookadar hat Angst vor Farbaud, und es wird gezeigt, dass dies berechtigt ist: Farbaud ermordet ohne Not eine Person, die gezwungen wurde, ihnen zu helfen. Später kann ich mir zusammenreimen, dass Farbaud und Hookadar von einem Schiff fliehen, wobei Hookadar nur so tut, als wolle er Farbaud retten. Oder vielleicht auch nicht, so richtig verstehe ich das nicht. Und hier bekomme ich dann auch erste Schwierigkeiten: Als Person, die gern und viel Science-Fiction liest, habe ich gar nichts dagegen, in eine Welt zu fallen, die sich mir nur nach und nach erschließt. Leider funktioniert das hier nicht. Meine Hoffnung, dass sich all die merkwürdigen Formulierungen und unbekannten Wörter erklären, erfüllt sich nicht, und ich bekomme zunehmend das Gefühl, mich durch einen Text in einer Fremdsprache zu ackern, die ich nur ansatzweise verstehe.
Ein anderes Schiff – oder ist es dasselbe? – wird von heimlichen Passagieren erforscht. Das, was mir da beschrieben wird, offenbart sich sehr eindeutig nicht als Hard SF. Die Technikschilderungen wirken oft magisch-gesetzt, auch haben viele der handelnden Personen magisch erscheinende Fähigkeiten, für die ich nicht erkennen kann, dass wissenschaftliche Erklärungen gesucht werden. Die Actionlastigkeit mit vielen Kämpfen, deren Sinn und Handelnde sich mir entziehen, erinnert mich eher an Star Wars als an Star Trek: fantasievolle Außerirdische, viel Blut, Brutalität und Gewalt – und chauvinistische Charaktere, die in Westernmanier permanent um sich schießen. Dazu ein ausgefeilt wirkender Weltenbau, der sich mir zu großen Teilen nicht erschließt, mit Wortneuschöpfungen, die seltsam anachronistisch wirken. Da gibt es Chaotarchen, einen Chaogator, Kombistrahler (absurderweise als Kombis-trahler getrennt) und immer wieder wird etwas desaktiviert (statt deaktiviert) – was auf mich in Kombination mit dem englischen Namen des Titelhelden und diversen Anglizismen etwas peinlich wirkt.
Ich habe mich gefragt, ob das ein Nebeneffekt des seit 1961 laufenden Serienkosmos ist: Was damals noch modern und aktuell war, wirkt heute oft hoffnungslos altmodisch. Andererseits rühmt sich PR gerade damit, den Zeitgeist aufzunehmen, was ich jedoch, ich kann es schon verraten, in diesem Heft nicht gefunden habe. So viel ist mir aber beim Lesen klargeworden: Perry Rhodan ist kein Label, unter dem verschiedene Einzelepisoden erscheinen, sondern eine einzige, lange, fortlaufende Geschichte. Der Serienkosmos hat sich entwickelt und da man Fans und Abonnent*innen nicht vergraulen möchte, zieht der Kosmos inzwischen eine lange Reihe von Wesenheiten, Begriffen, Mythologie usw. mit sich, die sicher ihre Fans haben, einen Neuling wie mich aber abschrecken.

Zurück zur Handlung: Auf dem Schiff mit den geheimen Mitreisenden wird nach einem Kampf eine Gruppe von Individuen gefangen genommen. Ich habe lange gerätselt, was das für Gefangene sind und sie dann für einen Teil der geheimen Forschenden gehalten, was nur Sinn ergäbe, wenn ich es mit drei und nicht mit zwei Parteien zu tun hätte – der Quintarch kann ja kaum von seinen eigenen Leuten gefangen genommen worden sein. Wieder folgt ein Kampf, wobei die Beschreibungen in mir keinerlei Bilder oder Emotionen hervorrufen: „Farbaud tat … etwas. In seiner Angst – die angesichts des flackernden Schirms alles andere als unbegründet schien – erfasste Hookadar lediglich, wie rasend schnell er die Positionen wechselte. Der Quintarch rannte und sprang und schlug, und überall blitzten Explosionen …“ Es folgt ein Treffen mit einem Bekannten des Quintarchen und eine Folterszene, die noch einmal verdeutlicht, wer der Böse ist.
Ein Perspektivwechsel erzählt mir nun aus Atlans Perspektive, dass die anhaltenden Folterungen von Posbis und Matten-Willis (was ist das?) auf das gesamte Schiff übertragen werden, um die Leute in den Geheimräumen dazu zu bringen, dass Atlan sich stellt. Warum die Personen zwar Geheimräume erstellen, in diesen aber keine Übertragungen kontrollieren können, bleibt unklar. Zwischen dem Quintarchen und Atlan scheint es eine alte Feindschaft zu geben. Atlan, so erfahre ich, ist rund eintausend Jahre alt und hat nicht vor, sich zu stellen. Lieber denkt er sich etwas aus, was den Quintarchen beschäftigt und vielleicht weitere Opfer fordert, um diesen davon abzuhalten, sich Folterungen zu widmen. Eine Frau aus seinem Team hält die Folterungen nicht aus, Atlan sieht das, ist aber nicht in der Lage, sozialkompetent darauf einzugehen. Dies führt dazu, dass die Frau sich dem Quintarchen stellt und Atlan sie in einem weiteren Kampf retten darf – was sie nicht will und wofür er sie beschämt.
Vorher wird die Frau, Yashuru D’a, wie folgt eingeführt: Atlan sieht sie arbeiten, meint, etwas bedrücke sie, und bedrängt sie, zu verraten, was es ist, nicht ohne uns mitzuteilen, dass ihm ein Ruf als guter Liebhaber vorauseile und sie gut aussieht. Sie schildert ihre Anstrengung im Kontakt mit einem Kollegen, der alles zähle, uns hier also als neurodivergent vorgestellt wird. Atlan erfragt nicht genauer, was da passiert, nein: Er nimmt angesichts der Schönheit von Yashuru D’a an, dass sein Untergebener sie bedränge: „...Übergriffigkeiten würde ich in meinem Team nicht dulden“. Atlan verhält sich nun selbst übergriffig: Er übergeht den Wunsch der Frau, sich nicht einzumischen, und stellt den Kollegen zur Rede. Es zeigt sich, dass alles sich anders verhält als gedacht, was Atlan aber nicht dazu bringt, seine eigene Übergriffigkeit (und seine auf die Frau bezogenen sexuellen Fantasien) zu bemerken oder sich gar zu entschuldigen. Was bleibt, ist die Darstellung der Frau als schutz- und die des neurodivergenten Kollegen als korrekturbedürftig.
Hier haben wir also ein ganzes Konglomerat aus Geschlechtsrollenklischees und patriarchaler Anmaßung: Natürlich ist die Frau zu weich und natürlich ist sie Schuld an der Misere und wird zum Opfer, das sich retten lassen muss. Warum Atlan trotz tausend Jahren Lebenserfahrung nicht sozialkompetent genug ist, die Sache anders als kämpfend zu lösen, leuchtet mir nicht ein. Dies ist ein Problem, das ich recht häufig mit langlebigen Figuren in Romanen und Filmen habe: Die Leute mit all ihrer Erfahrung unterscheiden sich nicht von realen jungen Menschen, dabei müsste es doch etwas mit ihnen machen, dass sie so lang leben.

Wieder wechselt die Perspektive zu Mirabelle und hier – sechs Seiten vor dem Schluss – begreife ich nun, was das Ganze soll: Der Quintarch ist auf das Schiff mit den geheimen Passagieren gebracht worden (aha, das ist also nicht das, auf dem er gefangen war), um dann dieses samt Geheimcrew zu einem weiteren Schiff zu bringen – zu FENERIK. In einen größeren Zusammenhang einordnen kann ich diesen Plan aber nach wie vor nicht, ich kann nur erahnen, dass damit irgendwie das Abstürzen von FENERIK verhindert werden soll. In mehreren weiteren Kämpfen gibt es nun zahlreiche Tote, „die Kluft“ öffnet sich, wobei ich keine Ahnung habe, was das ist, es wird gekämpft, „die Kluft“ schließt sich. Mirabelle „verspürt Dankbarkeit“, weil sie Kämpfende hat retten können. Der Roman endet mit Hookadars Perspektive. Wenig verwundert erfahre ich, dass der Quintarch ihn natürlich betrügt. Nach dem Ende wird mir erklärt, dass Farbaud (=der Quintarch) FENERIK erreicht hat, das hätte ich tatsächlich ohne diesen Epilog nicht verstanden. Ob die Geheimcrew nun schafft, was sie wollte, bleibt offen.

Sprache und Welt


Ich möchte ein wenig der Frage nachgehen, warum sich der Heftroman als für mich so unzugänglich erweist. Ein Faktor ist sicher die Sprache. Sie wirkt auf mich teilweise unnötig kompliziert, als gehe es eher um den Klang ungewöhnlicher Wortkombinationen oder dichtes Vermitteln von Insideranspielungen, als um Verständlichkeit. Die Kampfschilderungen bleiben für mich oft kryptisch. Ein Beispiel: „Die beiden TARAS vereinigten ihre HÜ-Schirme – auch diese fragmentierten nahezu kubisch – und positionierten sich zwischen uns und der Gefahr.“ Da habe ich eine vage Idee, was passiert, allerdings erst nach dem zweiten Lesen, was für mich die Lektüre zunehmend anstrengend gestaltete.
Auch die Schilderungen der Technik bleiben für mich kryptisch: „Seitlich in meinem Blickfeld schlug die Positronik die Schaltfolge vor, die als Ziel den Transmitter der Space-Jet anwählen sollte, die mit allen Mitteln der ZALTERTEPE-Klasse getarnt außen am Rumpf der LEUCHTKRAFT klebte.“ Da ich mit der Vielzahl der in Großbuchstaben gedruckten Namen und Abkürzungen überfordert war, fiel mir die Orientierung in derartigen Sätzen schwer. Sie gelingt, aber jeden dieser Sätze mehrfach zu lesen, ist doch mühsam.
Hinzu kam, dass die Schilderungen von Technik und Kämpfen auf mich oft etwas peinlich, weil physikalisch unhaltbar und großenteils unverständlich wirkten. Was soll beispielsweise eine Sonardusche sein? Wie kann man in einem Raumschiff geheime Räume schaffen? Was ist wohl ein „Kelchraumer“ und was ein „Kupferroboter“? Ein etwas längeres Beispiel: „Unsere Manipulationen blieben nur unentdeckt, weil Alaska Saedelaeres Cappingfragment Teile der Sextratronik in den Wahnsinn getrieben hatte und weitere durch das Gefecht bei der Erstürmung des Schiffes zerstört worden waren.“
Warum kann eine Maschine erkranken? Und welche Erkrankung ist wohl genau gemeint? Wie sind die Symptome? Und warum ist nur ein Teil der Maschine betroffen?
Hinzu kommen die für mich zu wenig ausgestalteten Figuren. Die Handelnden sind für mich kaum unterscheidbar und blass, mit keinem empfinde ich Mitgefühl, keiner wird für mich lebendig oder interessant; selbst Atlans Ich-Perspektive liest sich nicht anders als die anderen Perspektiven, mit Ausnahme der Tatsache, dass sich in seinem Kopf andere Stimmen melden, die mal als Logiksensor und mal als Zusatzsinn bezeichnet werden, und von denen ich nicht erfassen kann, was sie sein sollen. Sie bringen Witz in den Text, allerdings entspricht dieser so wenig meinem Geschmack, dass ich ihn eher peinlich als humorvoll finde. Einer der benannten Hauptpersonen, Alschoran, konnte ich bis zum Schluss nicht zuordnen.
Gefühle handelnder Personen werden behauptet und nicht gezeigt, immer wieder gibt es Phrasen wie „Das Grauen hielt Hookadar in kaltem Griff“. Hinzu kommt, dass zu den wechselnden Erzählperspektiven auch innerhalb einer Perspektive immer wieder die Perspektive wechselt, was mich völlig irritierte, und wo ich nicht verstehe, ob das Perspektivfehler sind oder gewolltes „Headhopping“ darstellt.
Eine Schwierigkeit stellte für mich auch die große Menge an Namen dar, an vielen Stellen wirkte das für mich wie reines Namedropping für Lesende, die alte Bekannte aus vorigen Serienteilen suchen; der Großteil der zahlreichen benannten Figuren hat nichts weiter zu tun, als mal einen Knopf zu drücken – oder nackt aus der Dusche zu steigen und sich anstarren zu lassen.

Exkurs: Genderqueerness in PR


Iwán Mulholland wird als Mann eingeführt, bis zu einer Szene auf Seite zwanzig, die ich ausgiebig zitieren und analysieren möchte:
„Iwán Mulholland trat nackt aus der Sonardusche. Er war ein echter Hermaphrodit: Sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsorgane waren voll ausgebildet. Die Brüste waren allerdings so klein, dass man sie bei flüchtiger Betrachtung – erst recht, wenn Mulholland Kleidung trug – als starke Brustmuskulatur wahrnehmen konnte. Überhaupt war die Fremdwahrnehmung gegenüber diesem Menschen bemerkenswert: Sämtliche Wesen, die ich kannte, sahen in ihm einen Geschlechtsgenossen – Männer sahen den Mann Iwán, Frauen hingegen die weibliche Iwa. Mullholand ließ sich mit jedem der beiden Namen ansprechen, während er selbst sich als sächlich empfand und auch so bezeichnete.“
Atlan läuft am nackten Mulholland vorbei, dann an ein paar Kampfrobotern, dann steigt er über einen Gravitationswechsel in die Szene mit Yashuru D’a, die ich oben bereits beschrieben habe. Mulholland wird uns als einzige Figur im gesamten Text nackt präsentiert, wir dürfen ihn anstarren, seine Nacktheit wahrnehmen. Die Szene hat nur die Funktion, seine (biologisch begründete!) Queerness herauszustellen und uns diese Queerness voyeuristisch durch seine Nacktheit zu vermitteln. Ich habe mit der Szene aber noch aus diversen (;)) anderen Gründen meine Schwierigkeiten: Hermaphroditismus ist ein biologisches Phänomen, wobei der Begriff veraltet ist und heute aufgrund seiner Stigmatisierung von Betroffenen weitgehend abgelehnt wird. Als „echter Hermaphroditismus“ wurde das gleichzeitige Vorliegen von Hoden und Ovarialgewebe bezeichnet – etwas, was Atlan bei Mulholland gar nicht sehen kann und von dem unklar ist, ob es biologisch in voller Funktionsfähigkeit überhaupt möglich ist. Corvus macht hier einen Perspektivfehler (Atlans Perspektive ist eine Ich-Perspektive), um sich mithilfe eines Röntgenblicks des Körpers Mulhollands zu bemächtigen und ihn uns vorzuführen. Über keine einzige der anderen Personen im Heft erfahren wir etwas zu deren Zeugungsorganen und deren Funktionsfähigkeit. Mulholland wird also herausgestellt und dadurch zum Anderen gemacht. Hinzu kommt, dass mit „Hermaphrodit“ ein stigmatisierender Begriff verwendet wird (der heute von vielen betroffenen Personen bevorzugte Begriff ist „inter“) und dass Mulhollands Geschlecht biologisiert und bewertet wird. Mulholland ist ein „guter Queerer“: Es ist ihm völlig egal, wie andere ihn ansprechen, er macht keine Schwierigkeiten wenn man ihn misgendert, stellt das heteronormative Weltbild seines Gegenübers nicht in Frage.
Die Szene ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie queere Figuren genutzt werden können, um ein heteronormatives, transfeindliches, biologistisches Weltbild zu zementieren: „sämtliche Wesen sehen in ihm einen Geschlechtsgenossen“ und was sind das für Wesen? „Männer und Frauen“. Obwohl Mulholland sich in dieses binäre Spektrum nicht einordnen lässt, wird hier queere Existenz nach kurzem Aufblitzen unsichtbar gemacht, Mulhollands Existenz geleugnet. Mulholland selbst, so wird gesagt, bezeichne sich als sächlich. Obwohl Mulholland, wie uns genau gezeigt wird, zweigeschlechtlich ist, spricht die Figur selbst sich also (angeblich) jegliches Geschlecht ab. „Sächlich“ ist kein Geschlecht für Lebewesen, sondern ein grammatikalisches Geschlecht und schon der Wortstamm macht deutlich, worum es geht: um Sachen; Wiktionary schreibt: „im Gegensatz zu Mann und Frau“. Hier wird also Mulholland vor die Wahl gestellt: Entweder du lässt dich vom Umfeld binär einsortieren, oder du verlierst den Status als Person, wirst zur Sache.
Nicht zuletzt wird uns nicht vermittelt, woher Atlan weiß, wie Mulholland das eigene Geschlecht erlebt. Atlan wird zum Experten für Mulholland gemacht, er spricht über Mulholland, ohne dass die Figur eine eigene Stimme bekommt. Ganz nebenbei bekommen wir noch vermittelt, dass Geschlechter etwas rein durch Biologie Vermitteltes seien – und dass die biologische Ausstattung von Körpern sichtbar sei. Wer sich nur etwas in die Lebensrealitäten genderqueerer Personen einliest, wird einsehen müssen, dass das eine nicht haltbare Annahme ist, die queere Identitäten entwertet bzw. fehlinterpretiert.

Fazit:


Insgesamt muss ich festhalten, dass ich mich mit diesem Text gequält habe. Nachdem er zunächst leicht lesbar schien, häuften sich Abschnitte, die ich mehrfach lesen musste, um aus all den Abkürzungen und Neologismen etwas herauszufiltern, was ich aufnehmen kann. Die Behauptung, dass das Heft unabhängig von anderen Heften als eigenständiger Text gelesen und verstanden werden kann, kann ich zumindest für mich verneinen. Ich kann nicht einmal den Spannungsbogen dieser Geschichte als abgeschlossen wahrnehmen, eher erscheint sie mir als Schnipsel, eine Serie von Gefechten, die in einen größeren Zusammenhang gestellt werden muss, um Sinn zu ergeben. Der Text hat für meinen Geschmack auch deutliche Längen, die vielen Namen und die wenig bildhaften Gefechtsschilderungen tragen wenig zur eigentlichen Handlung bei und haben mir das Textverständnis erschwert. Auch sprachlich konnte mich der Text wenig überzeugen, er ist zwar flüssig geschrieben, aber doch an vielen Stellen unnötig kompliziert oder phrasenbeladen.

Um eine Idee zu haben, worum es in dem Text ging, habe ich das Perryversum gegoogelt und erklärt bekommen, dass die Mächte des Chaos gegen die „Guten“ kämpfen, mit diesem Hintergrundwissen kann ich hier etwas mehr verstehen; einen tieferen Sinn oder ein darunterliegendes Grundthema, wie ich es bräuchte, um einen Text preiswürdig zu finden, finde ich aber nicht.

Wer Perry Rhodan lesen möchte, muss willens sein, sich in den Serienkosmos einzulesen und Hintergrundwissen zu googeln. Wahrscheinlich ist es dann auch möglich, den Weltenbau zu verstehen und aufzunehmen. So stand ich an vielen Stellen nur ratlos davor. Rein inhaltlich scheint die Serie etwas für Menschen, die Spaß an konservativer SF und ausufernden Schlachten und Kämpfen haben, wobei es natürlich schwierig ist, das nach der Lektüre von einem Heft einzuschätzen. Mich als Fan von Beziehungen und fiktiver Gesellschaftsentwicklung konnte das Heft nicht abholen.

Unterhaltung: 1 von 3
Sprache/Stil: 1 von 3
Spannung: 0,5 von 3
Charaktere/Beziehungen: 0,5 von 3
Originalität: 0 von 3
Tiefe der Thematik: 0 von 3
Weltenbau: 1,5 von 3
Gesamt: 4,5 von 21