C't- Stories

IMG 20210203 165839 2Vorgeschichte

Auf der Suche nach guten Orten für meine Kurzgeschichten stieß ich auf die Computerzeitschrift c't. Sie erscheint seit 1983 auf deutsch und niederländisch im Heise Zeitschriften Verlag und das seit Ende 1997 14-tägig und in einer Auflage von rund 211.000 Stück. Keine Reichweite, die irgendeine Literaturzeitschrift auch nur annäherungsweise erreicht. Das weckte mein Interesse. Die Frage ist nur: Passen meine Texte da rein?

 

  

Die Recherche zum Thema startete bei den Nerds in meinem Umfeld. Von ihnen gibt es zahlreiche. Aber niemand davon liest c't, „Die ist für Laien“ sagten sie. Aha. Offenbar ist meine spezielle Nerdblase zu professionell. Die Ausweitung meiner Suche auf die Nachbarschaft brachte Erfolg: Dort fand sich jemand, der mir alte c'ts schenkte, so dass ich mir selbst ein Bild davon machen konnte, welche Art von Geschichten darin veröffentlicht wurden.

Recherche

Die Webseite der c't verrät, dass eingereichte Manuskripte „mittelbar oder unmittelbar Computerrechnik oder damit zusammenhängende gesellschaftliche Aspekte thematisieren“ und dass technische Details „auf dem Boden der Physik stehen“ sollten. Die Webseite listet auch einige Autor:innen auf, die oft etliche Geschichten in 30 Jahren c't Story veröffentlicht haben. Die Seite verrät außerdem, dass in der Anfangszeit fast ausschließlich Geschichten von Männern veröffentlicht worden seien, dies sich aber geändert habe. Das Manuskriptangebot erreiche mittlerweile schätzungsweise Gleichstand zwischen den Geschlechtern (sie gehen offenbar von genau zweien aus).

Mir liegen dank des netten Nachbars 24 ganze und vier halbe Geschichten aus den Jahrgängen 2017 bis 2020 vor. Von diesen 28 Geschichten sind zumindest dem Autor:innenamen nach 26 männlich, wobei einige mehrfach vorkommen. Eine Geschichte ist nur mit Initialen und einem Nachnamen gekennzeichnet, aber wenn man sie googelt, steckt dahinter eine Frau: C.S. Dorchain. Eine weitere trägt eindeutig einen Frauennamen und eine Googlesuche bestätigt eine weiblich gelesene Person dahinter: Hilga Höfkens. Wenn selbst die c't auf ihrer Webseite schreibt, dass das Manuskriptangebot von Männern und Frauen ungefähr gleich sei – wie kommt es dann, dass Autorinnen in meiner Zufallsauswahl so unterrepräsentiert sind?

Da die halben Geschichten (ich hatte jeweils nur den ersten oder zweiten Teil einer über zwei Hefte abgedruckten Story) eben nur halb sind, lasse ich sie im Folgenden aus meinen Betrachtungen heraus.

Gute Geschichten mit hohem Sexismusfaktor

Was mir beim Lesen der Geschichten als nächstes auffiel: Sie sind gut. Die meisten sind sprachlich sehr ausgefeilt, mit eloquenten Formulierungen, eigenwilligen Vergleichen und verbaler Finesse, und fast alle sind spannend und unterhaltsam. Das oben geforderte Thema wird in den mir vorliegenden Geschichten tendenziell weit ausgelegt: es gibt Roboter, Computerprogramme, manchmal auch nur nebenbei benutzte technische Geräte – und durchaus auch Dinge, die ich als technikaffiner Laie physikalisch für enorm unwahrscheinlich halte. Die meisten Stories in meiner Auswahl sind düstere Geschichten, oft dystopisch und ohne happy end, manche auch witzig (aber dabei nicht minder dystopisch).

Ich hatte wirklich Freude beim Lesen dieser Stories, bis sich mehr und mehr ein Unwohlsein einstellte. Ich blätterte meine zufällig in eine Reihenfolge gebrachten Texte noch einmal durch und tatsächlich: Ich hatte fünf Texte gelesen und in keinem einzigen war auch nur eine nichtmännliche Person vorgekommen. Als ich schließlich alle 24 Texte gelesen hatte, zeigte sich, dass in sieben ausschließlich Männer vorkommen. Die Anzahl weiblich gelesener Hauptpersonen beläuft sich bei den 24 Texten auf drei, wobei zwei davon neben einer männlichen Hauptperson stehen (in einem Fall waren nur die letzten beiden Absätze der Geschichte aus der Sicht der Protagonistin geschrieben). Zwei Hauptpersonen sind nicht menschlich, es handelt sich um weiblich gelesene Maschinen. Zusammenfassend kann ich also feststellen: Von 24 Hauptpersonen ist eine eine Frau – und das Hauptthema der Geschichte ist der Konflikt dieser Frau mit ihrer (virtuell am Leben gehaltenen) Mutter. In den meisten anderen Geschichten geht es um Verfolgungsjagden, Cyberwelten und Kriminalfälle. Aber auch ein Märchen ist darunter.

Ich gebe zu, ich war etwas angesäuert. Etwas mehr als nur etwas angesäuert. Da gibt es eine Zeitschrift, die wirklich gute Geschichten auswählt und druckt – aber nur wenn sie Männerwelten zeigen? In mir stieg die Arbeitshypothese auf, dass die c't vorwiegend Fantasien alter weißer Männer abdruckt (in den gesamten Geschichten gab es nur zwei nichtweiß erscheinende Figuren). Und die Forscherseele in mir begann sogleich, Kategorien zu bilden. In welchen Rollen kommen Frauen in den Geschichten vor? Das Ergebnis der sich nicht ausschließenden Kategorien ist:

Frau als Sehnsuchtsobjekt männlicher Begierde, oft virtuell: 5 Mal

Frau als nervende und fordernde Partnerin eines Mannes, die seine Freiheit bedroht: 4 Mal

Frau als Bedrohung: 2 Mal

Frau als Alien, fremdes Element: 2 Mal

Frau als Mutter: 2 Mal

Frau als zu rettendes Opfer: 1 Mal

Vorkommende Frauen, die in keine dieser Kategorien passten: 1 (und das ist die oben schon benannte mit dem Mutterkonflikt. Sie ist auch ein Opfer, aber es gibt keinen Mann, der sie rettet).

Nach dieser Erkenntnis musste ich erst einmal Pause machen. Dann blätterte ich die Geschichten noch einmal durch: handelnde Frauen: zwei (ein böser weiblich gelesener Roboter und eine den Mann schlagende Ehefrau). Frauen, die Heldinnen sein dürfen: Null. Niente. Fehlanzeige.

Auffällig ist außerdem, dass die Frauen oft ausschließlich hinsichtlich ihres Aussehens beschrieben werden. Andere Attribute, wie Fähigkeiten oder Charaktereigenschaften, kommen selten vor und wenn, sind sie überwiegend negativ (die Frauen sind dumm, oberflächlich oder streitsüchtig – oder all das zusammen). Die einzelnen Geschichten wirken auf mich bezüglich der Rollenbilder teilweise so altbacken, dass ich sie als reaktionär empfand: Die wartende Ehefrau mit arbeitendem Mann. Die Partnerin, die von Technik nichts versteht. Solche Frauen. Und das in Geschichten, die großenteils in der Zukunft spielen.

Fazit: höchst durchwachsen

Was ist nun mein Fazit? Wenn es wirklich so ist, dass das Manuskriptangebot groß ist (und davon gehe ich aus, eine so große Reichweite ist ein Traum für viele Schreiberlinge und dann wird die Geschichte auch noch illustriert!) – dann ist die mir vorliegende Auswahl nur so zu erklären, dass das Tor zur c't von einer oder mehreren Personen bewacht wird, die Frauen bis auf wenige Ausnahmen rigoros aussortiert. Ich bin mir recht sicher, dass ich eine Geschichte schreiben könnte, die in die c't passt: Ein männlicher Prota, eine Frau als Trophäe oder Sehnsuchtsobjekt, den ein oder anderen Roboter oder Cyborg mit hinein, sprachlich ordentlich feilen und einen schönen Schuss Spannung dazu. Sollte zu machen sein. Aber will ich das? Die c't scheint kein passender Ort für meine starken Protagonist:innen. Es sei denn, die Gatekeeper überlegen es sich bald anders.

Nachtrag (August 2021)

Der Mangel an nichtmännlichen Personen in den c't-stories liegt offenbar wirklich eher am mangelnden Angebot und nicht an den Torwächtern. Die haben mich, als ich mich erst einmal getraut habe, eine Story zu senden, jedenfalls freundlich durchgewunken. Das Resultat könnt ihr hier ansehen: Heise Verlag c't 19/2021 Ich finde, da ist wirklich ein grandiose Illustration zu meinem Text gelungen. Und nun sitze ich an meiner nächsten c't-Story, denn die Erfahrung, eine Illustration zu meiner Geschichte zu sehen, finde ich wirklich wiederholenswert.

Quellen:

wikipedia am 31.01.21 https://de.wikipedia.org/wiki/C%E2%80%99t

c't-Webseite https://www.heise.de/ct/Redaktion/bb/story/bbstory.html#manuskript