Sarah Stoffers: Berlin: Rostiges Herz. Amrun
humorvolle Kriminalgeschichte
„Rostiges Herz“ ist ein Magie-Steampunk-Roman, der in einem fiktiven Berlin in ca. 900 Jahren spielt. Der Klimawandel hat das Leben sehr schwer gemacht, aber die Wiederentdeckung der Magie ermöglichte eine Rettung. Nachdem unsere Welt samt der technischen Errungenschaften untergegangen ist, tobt nun ein ewiger Kampf zwischen Magiebegabten und Erfinder*innen, denn die Magiebegabten sehen sich als Retter*innen und die Ingenieur*innen als Grund des alten Übels. Das sorgt natürlich für einigen Unmut, der nur mühsam in Schach gehalten wird.
Die beschriebenen Spannungen zwischen zwei Gruppierungen, die auch in verschiedenen Stadtteilen leben, zeigt Stoffers anhand zweier Figuren: Da ist Mathilda Sturm, eine Erfinderin, die nicht mehr erfindet, sondern nur noch repariert, und Fidelio Lafrenz, ein Zauberlehrling und Illusionist, der sich nicht an die Regeln halten möchte. Beide sind in Rosa verliebt, eine so sympathische Person, dass alle sie mögen. Das klingt erst einmal wie eine klassische Dreiecksgeschichte. Aber zum Glück verlässt Stoffers diesen klassischen trope sehr schnell: Als Rosa ermordet wird, geben sich Mathilda und Fidelio nicht damit zufrieden, still abzuwarten, dass die Gendarmen ermitteln. Es beginnt eine Kriminalgeschichte, die die beiden so ungleichen Protagonist*innen aus ihrem bisherigem Alltag ausbrechen lässt. Natürlich entdecken sie so einige Geheimnisse. Und natürlich ist das alles viel größer, als es zunächst erscheint.
„Berlin: Rostiges Herz“ ist ein schnelles Buch, das von seinen eigenwilligen Charakteren lebt. Besonders begeistert hat mich das völlig verfremdete Berlin, das trotzdem einige Wiedererkennungsorte aufwies, wie beispielsweise den Hauptbahnhof, dessen Ruine nun als Arena dient. Gefreut hat mich auch die Diversität der Figuren, die verschiedene Hautfarben und verschiedene sexuelle Vorlieben haben. Mathildas Vater ist seit dem Tod seiner Frau Mutist, so dass auch Behinderung eine Rolle spielt.
Trotz der Kriminalhandlung und der Spannung im Weltenbau malt Stoffers hier eine freundliche Welt, in der die meisten wichtigen Figuren respektvoll und beziehungsvoll miteinander umgehen. Dabei hat mich besonders Mathildas Beziehung zu ihren Verwandten berührt, die Art, wie ihr Vater und sie Zuneigung ausdrücken, auch wenn er keine Worte mehr findet.
Viel Freude hatte ich an der humorvollen Sprache, die mich nicht selten hat laut auflachen lassen. Spritzige Dialoge und jede Menge Situationskomik werden von Stoffers gekonnt auf den Punkt gebracht. Nach einer Explosion sucht eine Wachtmeisterin nach einem Kollegen: „Das musste ein Teil der Tunneldecke sein, und das darunter Wachtmeister Thrayer.“ Ich liebe diese Art trockenen Humor. Oder als Fidelio einen Geistesblitz hat: „Er kam nicht dazu, seine neue Erkenntnis von allen Seiten zu bewundern …“. Auch die Beschreibungen sind oft gleichzeitig bildhaft und humorvoll: „„Irgendwelche Anzeichen von Magie“, fragte sie den Gendarmen, der auf der anderen Seite des Tisches versuchte, seine Uniform mit Haltung und Diensteifer auszufüllen.“
Ebenso gelungen ist der Weltenbau: ein eigenes Magiesystem, eine Mischung aus Steampunk und anderen Technologien, Fabelwesen und neue Berufe – das alles wird in liebevollen und durchdachten kleinen Details ausgeführt, was mir ein tiefes Eintauchen in die Welt ermöglicht hat.
Ein Wermutstropfen sind die leider recht vielen Fehler: da fehlen Wörter oder sind durch Tippfehler entstellt, besonders irritierend war die vorkommende Zahl „wölf“, die ich wegen des mehrfachen Vorkommens zunächst für eines der vielen eigenwilligen Details im Weltenbau hielt – bis Fidelio sich dann erinnerte, zwölf gewesen zu sein. Oder auch die Trennung „Luftfahrerb-art“, die mich dazu brachte, einige Sekunden darüber nachzudenken, um wessen Erbe es hier geht.
Was ich vielleicht auch bemängeln könnte, ist die Tiefe der Thematik. „Berlin: Rostiges Herz“ empfand ich als eher leichtes Buch. Es werden zwar große Themen angerissen, aber keines davon wird wirklich in der Tiefe beleuchtet: Da geht es um Identität und die Frage, wer man ist und sein will, um Freundschaft, Vorurteile und Spaltungstendenzen in der Gesellschaft. Es geht auch um Suchtgefahr und Trauer. Hier hätte vielleicht manches noch eingehender betrachtet werden können, allerdings hätte der Text dann wahrscheinlich das Tempo und die Leichtigkeit eingebüßt, die ihn jetzt so besonders machen.
Das Ende schließlich ist zufriedenstellend und der Cliffhanger zum zweiten Band nicht wirklich groß. Der Spannungsbogen dieses Romans wird im Großen und Ganzen abgeschlossen.
Fazit: Ein rasantes, humorvolles und doch hoffnungsfrohes Buch, das unterhält, ohne dabei oberflächlich zu sein.
Unterhaltung: 2,5 von 3
Sprache/Stil: 2,5 von 3
Spannung: 2,5 von 3
Charaktere/Beziehungen: 3 von 3
Originalität: 2,5 von 3
Tiefe der Thematik: 2 von 3
Weltenbau: 3 von 3
Gesamt: 18 von 21