Ryka Aoki: Light From Uncommon Stars (tor books) oder Das Licht ungewöhnlicher Sterne (Heyne)

skurril und leicht

Ryka Aoki Stars

 

 

Katrina, ein jugendliches trans Mädchen flieht aus ihrem gewaltvollen Elternhaus. Eine berühmte Geigenlehrerin sucht nach der nächsten Schülerin, deren Seele sie dem Teufel opfern kann. Und eine außerirdische Crew übernimmt einen Donutladen. Ich gebe zu, anfangs haben mich diese drei Stränge eher abgeschreckt. Ich fand den Text oberflächlich, zugespitzt und voller Klischees, auch in Bezug auf die Figuren, die alle einen asiatischen Hintergrund haben (aus verschiedenen Ländern: Vietnam, Japan, China u.a.). Auch irritierte mich, dass der eine Strang eher im Genre Urban Fantasy angesiedelt ist, während der andere sich wie SF liest. Aber dann kam das Ganze zu einer genialen humorvollen Geschichte zusammen und ich hatte wirklich Spaß.

 

Aoki gelingt es meines Erachtens, den Figuren nach und nach Tiefe zu verschaffen und ihre kulturellen Hintergründe einfließen zu lassen. Fasziniert hat mich, dass Aoki dabei mitunter brachial zugeht: sie spitzt Dinge zu, nimmt ihre Figuren auf die Schippe – und gleichzeitig nimmt sie sie ernst und schaut genau hin. So hatte ich zunächst meine Mühe damit, dass Katrina scheinbar nur leidet. Natürlich landet sie nach der Flucht bei einem nur scheinbar freundlichen Menschen, der sie ausnutzt, natürlich ist sie Sexworkerin, die von ihrer Exotisierung lebt, und natürlich unterschätzt sie ihr Können als Geigerin. Das schien mir zu viel Klischee.
Aber dann faltet sich der Text auf, Katrina wird vielschichtiger, sie geht mit der intersektionalen Diskriminierung um und das auf eine, wie ich fand, empowernde Weise. So wird der Text von der Leidensgeschichte zu einem kraftvollen Plädoyer für Freundschaft und Vorurteilsfreiheit, für Liebe und Neugier aufeinander.
Gemocht habe ich auch den Humor des Textes: Gerade die Dialoge sind teilweise herrlich skurril. Außerdem spricht aus dem Text eine tiefe Liebe zur Musik, zum Instrumentenbau und Holzwerken und zum Backen. Realismus darf man hier aber nicht erwarten: Da kann Katrina mit den Meister*innen Geige spielen ohne lange professionellen Unterricht gehabt zu haben, da werden Donuts mit Laserstrahlen beschossen und allerlei Werkstoffe zu Geigen und Bögen verarbeitet, bei denen mir höchst fragwürdig scheint, ob das funktionieren kann. Mich hat das wenig gestört, weil es mit Leichtigkeit und Lust vorgetragen wird, so dass ich ebenso gern mitging wie mit der Genre-Mischung. Dass mir dann manche Zuspitzungen oder Wendung zu dick aufgetragen und konstruiert waren, und ständig dicke Autos vorgefahren werden, hat meinen Genuss kaum getrübt. Möglicherweise hätte ich mit der Sprache im Deutschen gelegentlich Mühe gehabt, aber ich habe den Text im englischen Original gelesen und da verzeihe ich mehr (weil es nicht meine Erstsprache ist und ich sie nicht so gut beherrsche).
Zum Ende des Buches möchte ich nicht viel verraten. Es war für mich überraschend und trotzdem folgerichtig, malt aber nicht alle offenen Stellen, die der Weltenbau lässt, aus. Da hätte ich mir an der ein oder anderen Stelle mehr gewünscht, vielleicht auch, weil mein Nerdhirn sich wünscht, dass dieser Text sich in ein Genre einordnen ließe.

Fazit: Ein spritziges und spannendes Buch, das Intersektionalität, psychische Störungen und Gewalterleben mit Leichtigkeit angeht.

Unterhaltung: 2,5 von 3
Sprache/Stil: 2 von 3
Spannung: 3 von 3
Charaktere/Beziehungen: 2 von 3
Originalität: 2,5 von 3
Tiefe der Thematik: 2,5 von 3
Weltenbau: 2 von 3
Gesamt: 16,5 von 21