An Brenach: Die Goldene Kanone. (K)ein Detektivroman. Ohneohren
witzig und kurzweilig
Der Einstieg in diesen Text fiel mir leicht: In humorvoller, leicht fließender Sprache wird uns der Autor Bartholomew Magroove vorgestellt, der seinem sehr ängstlichen Assistenten Mick van Luch Romane diktiert. Brenach entführt uns in eine steampunkige Welt, in der jede Figur ein Abziehbild ihrer selbst ist: Margroove ist groß und hochnäsig, aber ein brillanter Denker, van Luch klein, mickrig und so ängstlich, dass er keinen Schritt gehen kann, ohne sich zu fürchten. Margroove hat Freude daran, van Luch zu quälen, was aufgrund dessen Angst leicht ist.
Als Margroove eine Einladung zu einer Preisverleihung bekommt, muss van Luch ihn begleiten. Beide treffen auf drei weitere Autor*innen, zwei Frauen und einen Mann, die sich beständig gegenseitig beharken. Aber was eine Preisverleihung sein sollte, wird zum Abenteuer als die Gruppe getrennt wird und sich durch den Keller kämpfen muss.
Wer Freude an Wortgefechten, unfairem Spiel und überraschenden Wendungen hat, wird die folgende Handlung genießen. Wer wie ich schwer aushalten kann, wenn Personen sich gegenseitig entwerten und/oder übergriffig sind, muss vielleicht auch manche Dialogzeilen querlesen. Auch empfand ich die Figuren etwas zu sehr zugespitzt. Die Beziehung zwischen Mick und Bartholomew bekommt zwar eine weitere Nuance (die mich stellenweise berührt hat), mir fehlte aber Figurentiefe und -entwicklung. Beides steht hier nicht im Zentrum: Das Buch nimmt sich von der ersten bis zur letzten Seite nicht ernst, ein Kalauer folgt auf den nächsten, Brenach spielt gekonnt mit Phrasen und Bildern und zieht dazu immer mal wieder einen Teufel aus der Maschine, was überraschende Wendungen erlaubt und viel Situationskomik ermöglicht. Natürlich ist am Ende niemand, wer er zu sein scheint. Das alles ist in höchstem Maße unglaubwürdig, der Text bleibt sich aber in dieser Unglaubwürdigkeit selbst so treu, dass ich da problemlos mitgegangen bin.
„Die Goldene Kanone“ ist über weite Strecken ein Dungeon-Crawling-Roman: Die Fünfer-Gruppe muss sich durch dunkle Katakomben kämpfen, wobei aus Rollenspielen bekannte Elemente auf absurde Weise abgewandelt werden. Für meinen Geschmack waren die Beschreibungen etwas zu ausführlich (inklusive einiger Pleonasmen, von denen ich mir nicht sicher bin, ob sie intendiert sind) und auch die Dialoge zu lang. Trotzdem bekommt Brenach es hin, von der ersten bis zur letzten Seite die Spannung zu halten.
Perspektivisch folgt der Text entweder Margroove oder van Luch, wobei stellenweise beschrieben wird, was im Rücken des Perspektivträgers geschieht. Da die Erzählstimme recht großen Abstand zu den Figuren wahrt und allwissende Aussagen einmischt, hat mich das nicht gestört.
Etwas schade fand ich die enthaltene Heteronormativität. Es kommt zwar Homosexualität vor, aber van Luch wird permanent für seine Ängstlichkeit (und „Unmännlichkeit“) abgelehnt. Die Interaktionen zwischen Männern und Frauen scheint sehr von stereotypen Annahmen geprägt. Das liegt sicher an der gezeichneten Welt und den typisierten Figuren, ich hätte mir hier aber einige Ausreißer gewünscht. Ebenso sind alle Figuren weiß und ablebodied, es gibt zwar eine Figur mit einer verletzungsbedingten Einschränkung aber … nun, das kann ich ohne enorm zu spoilern nicht verraten. ;)
Brenach findet einen befriedigenden Abschluss für das Buch, mein Nerdhirn wartete aber vergeblich darauf, dass der am Anfang geschriebene Roman wieder aufgegriffen wird. Vielleicht ist hier der Anschluss für einen zweiten Teil?
Bei Steampunk stellt sich für mich immer die Genre-Frage: SF oder nicht? „Die goldene Kanone“ würde ich als (Urban) Fantasy einordnen. Es kommen wenige Maschinen vor, die Handlung könnte problemlos in der Jetztzeit spielen. Handlungstragend sind nicht die technischen Spielereien, sondern vorkommende Fabelwesen, die unsere Jetztwelt erweitern.
Fazit: „Die Goldene Kanone“ ist ein kurzweiliges und unterhaltsames Buch, das von schrägen Figuren und absurden Wendungen lebt. Wer spannende Unterhaltung sucht, ist hier gut bedient.
Unterhaltung: 2 von 3
Sprache/Stil: 2 von 3
Spannung: 3 von 3
Charaktere/Beziehungen: 1 von 3
Originalität: 1,5 von 3
Diversität: 1,5 von 3
Tiefe der Thematik: 0 von 3
Weltenbau: 1 von 3
Gesamt: 12 von 24