Martha Wells: Murderbot-Diaries 2: Artificial Condition. Tor Books.

 

witzig, spannend, herzerweichend

 

Wer meine Rezension zum ersten Teil der Murderbot-Diaries gelesen hat, weiß es: Ich bin ein großer Fan dieser Reihe. Selten haben mich Bücher so bewegt, so gepackt und berührt. Und wie auch schon bei der ersten Novelle, war es auch bei dieser: Ich bin gern und schnell in diese düstere Welt eingetaucht, in der das Mensch-Maschinen-Konstrukt, das sich selbst Murderbot nennt, herauszufinden versucht, warum es eigentlich keine funktionierenden Überwachungsroutinen hat. Neben dieser Suche nach der eigenen Vergangenheit und der Frage, ob es nun ein Massenmörder ist oder nicht, spielt die sich entwickelnde Freundschaft mit einer Schiffs-KI eine zentrale Rolle. Wie die Beziehung zwischen den beiden beschrieben ist, ist für mich auch beim zweiten Lesen sehr berührend: Das Schiff mit seinen Möglichkeiten wirkt auf Murderbot so bedrohlich, dass Murderbot kaum glauben kann, dass ihm da wirkliche eine Freundschaft angetragen wird – eine Erfahrung, in der sich sicher mancher Mensch wiederfinden kann, dem Nähe schnell zu viel wird.

Neben Murderbot, das im Englischen das Pronom it verwendet (der deutschen Übersetzung werde ich bald eine eigene Rezension widmen), kommt in diesem Roman noch eine weitere Person mit nonbinärem Pronom vor und mehrere mit unbestimmtem Geschlecht.

Murderbot begegnet natürlich wieder einer Gruppe Menschen, die es beschützen muss („weil diese Menschen das ja selbst nicht können“). Teil dieser sehr sympathischen Gruppe ist eine tercera mit dem Pronom ter. Es ist Wells gelungen, dieses Neopronom völlig flüssig in den Text einzufügen. Ich habe das Buch auch auf Deutsch gekauft muss, um zu schauen, wie Frank Böhmert das in der Übersetzung gelöst hat. Insgesamt ist Geschlecht für Murderbot keine relevante Kategorie, so dass es erfrischend nebensächlich ist.

Ansonsten ist es schwer, über diesen Text viel zu schreiben, ohne zu viel zu verraten. Wie auch der erste Teil, ist dieser hier packend, kurzweilig, witzig und actionreich, mit Kampfszenen, die selbst für mich als überzeugte Kampfszenen-Hasserin gut zu lesen sind, weil sie so zynisch beschrieben werden und mindestens ebenso viel über die Kämpfenden aussagen, wie über das, was passiert. Dabei lese ich die Kampfszenen immer mit einem Augenzwinkern. Mich erinnern sie an Jackie Chan oder Terence Hill mit den Unmengen an Personen, die zu Boden gehen.

Außerdem ist das Buch ein echter Pageturner mit einer spannenden Handlung mit jeder Menge überraschenden Wendungen und Winkelzügen.

Nicht zuletzt macht Murderbot Erfahrungen damit, wie es ist, als Person behandelt zu werden – das Thema von Marginalisierung und Rechtlosigkeit wird sehr eindrücklich behandelt, ohne auch nur im entferntesten aufgesetzt zu wirken oder den Zeigefinger zu erheben. Dazu gibt es immer wieder tief berührende Szenen rund um Vertrauen, Menschlichkeit und Verantwortung – diese sind im wesentlichen der Grund, warum ich diese Reihe so liebe. Dazu kommt Murderbots herrlich zynische und flapsige Erzählstimme. Kurz: Ich habe es rundum genossen und kann diese Reihe nur weiterempfehlen.