Karsten Kruschel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg
Sprachgewaltig und bunt
Cover von Przemysław Rubaj, Copyright: Wurdack Verlag
Kruschels fantasievolle und düstere Welten haben mich schon in seinen vorigen Büchern und Kurzgeschichten fasziniert.
Unbefriedigend war für mich jedoch oft, dass so viele lose Fäden und offene Enden blieben, wenn die Texte zu Ende gelesen waren. Da war mir ein Protagonist ans Herz gewachsen – und schon kam eine neue Geschichte mit neuem Protagonisten. Galdäa ist insofern anders, als dass es nicht nur ein richtiger Roman, sondern ein 400-Seiten-Wälzer ist, mit einem richtigen (wenn auch teilweise offenen) Ende. Kruschel verwendet verschiedene Perspektiven, um zu zeigen, wie eine kleine, scheinbar nebensächliche Handlung einen Dominoeffekt in Gang setzt, der schließlich einen Strudel erzeugt, der für viele Menschen tödlich enden kann (und wird). Dabei laufen die verschiedenen Stränge über weite Teile des Buches nebeneinander her und ich als Leserin habe nur gelegentlich eine Idee, wie das alles zusammenhängen könnte. Da ist Jana Hakon, die Galdani mit den Superfähigkeiten, die aus einem Institut flieht, das sich als Psychiatrie tarnt, aber eigentlich Experimente mit Menschen macht. Da ist der Student Michael Sanderstorm, der nach einem missglückten Suizidversuch unter starken Schmerzen leidet und sein Studium wiederaufnehmen will – und es nicht hinbekommt, Dienst nach Vorschrift zu machen, weil ihn seine Aufgabe dann doch zu sehr interessiert. Und schließlich Markus Hataka, ein suchtkranker Musiker, der jetzt nach Jana süchtig ist und alles tun würde, um ihr zu helfen. Die Aufzählung macht deutlich, dass es gebrochene Charaktere sind, die im Zentrum dieses Romans stehen. Gebrochene Charaktere, die Kraft entfalten und denen man gern dabei zusieht, wie sie um ihren eigenen Weg und ihre je eigene Wahrheit ringen. Dabei ist ihnen, ganz kruscheltypisch, eine gewisse emotionale Kühle eigen, die sie einerseits stark wirken lässt, andererseits aber auch dafür sorgt, dass sie einem nie zu sehr auf die Pelle rücken, egal wie übel ihnen das Schicksal mitspielt. Kruschel wählt eine interessante Art, die Nähe zu seinen Protagonisten zu regulieren: Er spielt quasi über Bande, über Nebencharaktere, die oft viel stärker emotional reagieren, als seine Protagonisten. Trotzdem ging es mir mitunter so, dass ich mir mehr direkte Nähe gewünscht hätte.
Kruschel hat einen spannenden Text geschrieben, der nach einem sanften Anfang rasch Fahrt aufnimmt und dazu verleitet, die Nacht hindurch zu lesen. Dabei versteht er es, sowohl actionreich als auch sprachgewaltig zu schreiben; seine Bilder haben oft etwas Poetisches, gelegentlich aber auch einen kleinen Hang zum Schwulst. Ein echter Zugewinn sind die schrägen und fantasievollen Nebencharaktere, die die Welt so bunt machen: eine harte ehemalige Elitesoldatin, die Unmögliches möglich macht, ein sanfter Riese, der seine Körperkraft nicht gern einsetzt und ein durchgeknalltes Raumschiff, das nicht gern allein ist, sind Beispiele dafür. Hinzu kommen die Schilderungen des kruschelschen Universums inklusive technischer Finessen wie dem Landau-Generator und Raumsprüngen, sowie der verschiedenen Planeten und deren Bewohner: oniskäische Doppelehen und Goldene, die scheinbar nackt herumlaufen – es ist ein buntes und diverses Universum, das Kruschel zeichnet. Das Ganze ergibt ein sehr spannendes Werk, das ich genossen habe und gern weiterempfehle.