Nnedi Okorafor: LaGuardia. Berger Books.

Bunt, witzig, gut beobachtet

Die Bücher der nigerianisch-amerikanischen Schriftstellerin Nnedi Okorafor standen schon eine Weile auf meiner Leseliste. Und wie der Zufall es so will, lag diese englische Graphic Novel auf dem Nachttisch einer lieben Person, die mir Unterschlupf gewährt hat, und ich las mich gleich fest.

Okorafors LaGuardia ist eine afrofuturistische Science-Fiction-Geschichte, die in einer Zukunft spielt, in der Außerirdische in Nigeria landeten. Infolge dessen entstand dort ein großer Raumflughafen. Nigeria „erkennt sein Potenzial“ und macht einen rasanten Entwicklungssprung, der unter anderem die USA abhängt. In dieser Welt flieht die schwangere Ärztin Future mit dem Pflanzen-Alien Letme Live in die USA. Sie flieht ohne das Wissen ihres Verlobten Citizen, der sie schließlich sucht und findet. Future kommt bei ihrer Großmutter unter und schafft es schließlich, ihr Kind zu gebären und Letme zu retten.

Der eigentliche Plot der Graphic Novel ist recht übersichtlich. Natürlich gibt es einige Nebenhandlungsstränge – so gibt es einen Handlungsstrang, der sich mit Citizens Feindseligkeit gegenüber den außerirdischen Pflanzenwesen beschäftigt: Er ist skeptisch gegenüber Außerirdischen, kann sich aber dem Charme außerirdischer Pflanzenwesen nicht entziehen. Die Frage, wie es dann dazu kommt, dass er mit einer Ärztin verlobt ist, die sich auf die Behandlung von Außerirdischen spezialisiert hat, bleibt dabei offen. Und so ist es auch mit anderen Nebenhandlungssträngen: Sie werden angerissen, bleiben aber eher skizziert als auserzählt.

Meines Erachtens ist der eigentliche Plot und dessen Nebenstränge nicht der Hauptinhalt dieses Romans, tritt er doch stellenweise so in den Hintergrund, dass ich mich gefragt habe, ob es überhaupt einen Plot gibt. Es kommt immer wieder Spannung auf, aber zwischendurch plätschert die Geschichte auch mal dahin. Es war aber ohnehin nicht der Plot, der mich gefesselt hat. Sondern es waren die meines Erachtens gelungenen Darstellungen von Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen der handelnden Personen: Die Marginalisierungserfahrungen der Schwarzen Protagonistin und die der Außerirdischen. Die Vermischung beider Erfahrungen erlaubt es Okorafor, authentisch und doch verfremdet zu beschreiben, wie Marginalisierung erfahren wird. Die USA sind skeptisch gegenüber Einreisenden aus Nigeria, weil die Menschen dort mit Außerirdischen zusammenleben, die die Amerikaner als Gefahr ansehen. Future muss Letme also ins Land schmuggeln. Die Beschreibung der Einreiseformalitäten nimmt einen recht großen Raum ein und zeigt die Erniedrigung und Schikane, der Schwarze Menschen an Landesgrenzen ausgesetzt sind. Ich habe jedenfalls einige bekannte Dinge wiedererkannt, die ich mit nichtweißen Begleiter:innen erlebt habe. Ebenso wiedererkannt habe ich einige Besonderheiten westafrikanischer Sprache, Kleidung, Wohnungseinrichtung usw. Diese sind von Okorafor und Tana Ford mit viel Humor und Liebe zum Detail umgesetzt. Allerdings frage ich mich, ob jemand ohne Kontakt zur westafrikanischen Community diese Details so wiedererkennen und schätzen kann. Da ist beispielsweise die Namensgebung der Handelnden: Neben Future und Citizen gibt es Außerdirdische, die Laundry und Payment heißen, „etwas, was die Menschen aussprechen können“ – ein humorvoller Umgang mit kolonialistischem Erbe und der in Ghana und Nigeria (und vielleicht auch in anderen mir nicht so bekannten Regionen) üblichen bildhaften Namensgebung.

Ein großer Bonus ist meines Erachtens die Bebilderung: Die Bilder von Tana Ford wirken lebendig, bunt und detailverliebt. Besonders mochte ich die kraftvolle Darstellung der sichtbar schwangeren Protagonistin. Das Gemeinschaftswerk von Illustratorin und Autorin ist für mich sehr gelungen, wirkt wie aus einem Guss. Davon würde ich gern mehr sehen und lesen!