Lena Richter: Feuer & Was einmal war. Ach je Verlag

Zwei anregende Kurzgeschichten

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Das kleine Büchlein aus dem Ach Je Verlag beinhaltet zwei Kurzgeschichten, von denen die eine bereits auf der Webseite des Verlages zu lesen ist. Trotzdem habe ich es genossen, noch einmal in Ruhe auf der Couch blättern und lesen zu können. Die beiden sehr verschiedenen Geschichten sind genau nach meinem Geschmack: Sie geben mir Denkstoff mit, der länger hält als die kurze Lesedauer.

 

 

 

Feuer ist eine Geschichte über einen Jungen, der von für ihn unbeherrschbaren Wutanfällen heimgesucht wird. Seine Strategie ist, wegzulaufen und sich zu verstecken, bis die Wut abgeklungen ist. Der Text schildert, wie er dabei in Kontakt mit einer Amazone kommt, die ihm zeigt, dass er seine Wut meistern und nutzen kann. Das Großartige an diesem Text ist nicht nur die Art, wie mit Held:innenmythen und Realität umgegangen wird, sondern vor allem der Weltenbau. Ich habe den Text bislang drei Mal gelesen und immer wieder etwas Neues entdeckt. Das Gefühl, dass da eine ausgefeilte Welt dahinter steckt, die ich gern genauer erkunden würde, lässt mich hoffen, dass das in einem längeren Text möglich ist.

Auch die Sprache von Feuer hat mich für sich eingenommen: leicht lesbar, dabei dicht und oft von großer Schönheit. Besonders die Beschreibung der emotionalen Zustände des Protagonisten haben mich berührt.

Was einmal war ist sowohl von der Sprache her, als auch vom Inhalt eine sehr andere Art von Geschichte. Sie spielt im Hier und Jetzt und erzählt von einer jungen Erwachsenen, deren Schwester nach einem unklar bleibenden Übergriff im Koma liegt. Die Protagonistin sitzt am Bett der Sterbenden und sucht nach dem richtigen Märchen für diese Situation. Sie entwickelt verschiedene Varianten der alten Stoffe, in denen die weibliche Person nicht in der Opferposition verharrt, sondern die Dinge selbst in die Hand nimmt. Folgerichtig endet der Text auch damit, dass die Prota tätig wird – wie, will ich nicht verraten.

Der zweite Text ist wesentlich spröder als der erste, assoziativer und weniger spannend. Er enthält aber auch sehr viel mehr Anregungen: Welche Frauen*rollen werden in den alten Stoffen transportiert? Wie sähen alternative Geschichten aus? Gerade nach dem Lesen der Einhornanthologie von Talawah mit all den modernen Märchen, in denen keine einzige wirklich handelnde Frau* vorkam (und auch keine aktive wütende) ist das sehr erfrischend.

Ihr findet das Büchlein hier: https://shop.ach.je/produkt/feuer-was-einmal-war-heft/