Ivan Ertlov: Stargazer – Das letzte Artefakt
solide und spannend
Ich mochte den Schreibstil von der ersten Seite an: flappsig, mit einem sarkastischen Humor, sich selbst nicht ernst nehmend. Dabei wird man in eine bunte Welt geworfen, die man sich erst einmal zusammenbasteln muss. Das dauerte mir tatsächlich etwas zu lange und als dann eine ekelhafte Kampfschilderung kam, wäre ich fast ausgestiegen. Hier hätte eine Straffung des Textes meines Erachtens gut getan.
Zum Glück geht es danach richtig los: Frank Gazer, einer der letzten lebenden Menschen, will sein Glück versuchen und ein eigenes Schiff haben. Aber die Menschen gelten als barbarisch und gefährlich und sein Startpunkt ist alles andere als gut. Natürlich schafft er es und geht im Weltall auf Schatzsuche.
Der Weltenbau hat mich fasziniert: mehrere Spezies mit verschiedenen Fähigkeiten und ihrer jeweiligen Geschichte machen die Welt lebendig und dann ist da die Idee, dass die Menschen mal die sind, auf die alle herabschauen. Ertlov ist es gelungen, daraus eine spannende Geschichte zu machen, der ich gern gefolgt bin. Allerdings finde ich, dass er es verpasst hat, dem Text wirkliche Tiefe zu geben: Was macht es mit Frank, dass er marginalisiert ist? Da hätte ich gern etwas mehr erfahren, als das recht klischeehaft anmutende toxisch maskuline Saufen und Herumvögeln. Insgesamt ist das mit dem Sex so eine Sache, die mir den Text an manchen Stellen etwas madig gemacht hat: Es gibt reihenweise pubertär anmutende Penis- und Sexwitze und alle sind sie aus klassisch männlicher Sicht geschrieben (auch wenn sie weiblichen Charakteren in den Mund gelegt werden). Leider ist auch die Welt recht heteronormativ, es gibt zwar am Rande Aliens mit mehr als zwei Geschlechtern, aber Menschen, so wird gesagt, seien eine Spezies mit genau zwei Geschlechtern und die könne man am Äußeren festmachen. Es kommen im Text auch nur zwei Menschen etwas ausführlicher vor, beide männlich. Im letzten Drittel wird eine Schwarze Menschenfrau eingeführt, die auf mich aber wie eine Tokenfigur wirkt, denn sie bekommt nicht wirklich einen Charakter.
Ertlov erzählt eine spannende, aber dann doch recht gewöhnliche Schatzsucher-Geschichte. Der Protagonist Frank nutzt sein weniges Geld und kauft ein Schiff und einen Claim – und macht sich mit seiner Crew auf, um Schätze zu bergen. Diese Crew hat recht eigenwillige Charaktere, alle nicht menschlich, die Ertlov plastisch darstellen kann. Um mich richtig glücklich zu machen, hätte es Veränderungen in den Beziehungen und beim Protagonisten geben müssen, aber diese recht hoch hängende Messlette reißt der Text nicht.
Parallel zur Schatzsucher-Geschichte wird von einer Weltraumflotte erzählt, die gegen einen übermächtigen Angriff standhalten soll – wobei man schon recht früh ahnt, wie die beiden Geschichten letztlich zusammenfließen werden. Ich gebe es zu: Da mich Schlachtenschilderungen nicht die Bohne interessieren, habe ich hier seitenweise Text quergelesen – was mich nicht davon abgehalten hat, den Rest zu genießen. Mein Favorit waren dabei die Einschübe fiktiver Gesetzestexte, die in schönstem Jura-Sprech die Diskriminierung von Menschen festlegen.
Auch die Sprache habe ich weiterhin genossen, allerdings nutzten sich die sich ähnelnden Witze irgendwann doch etwas ab.
Zum Ende will ich hier nicht zu viel verraten. Es ist folgerichtig, was aber in diesem Fall auch heißt: nicht wirklich überraschend. Den Nachklapp nach dem eigentlichen Ende hätte es meines Erachtens nicht wirklich gebraucht, er ist vor allem dazu da, auf den nächsten Teil vorzubereiten. Trotz mancher Längen gelingt es Ertlov, die Spannung zu halten, so dass Personen, die Space Operas mögen, hier auf ihre Kosten kommen. Für mich ist das in jedem Fall eines der Highlights auf dem deutschen SciFi-Buchmarkt 2021.