Ellen Norten (Hrsg.) Das Alien tanzt im Schlaraffenland. Schmackhafte SF und Fantastik aus einem hungrigen Universum

 

durchwachsene Menüfolge mit einigen Appetithappen

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Als großer Fan von Adams' Anhalter musste ich mir diese humoristische SF natürlich zu Gemüte führen, zumal sie mir freihaus geliefert wurde, da ein Text von mir enthalten ist. Leider fühlte ich mich in diesem Restaurant des Öfteren wie ein*r Vegetarier*in in einem Steakhaus: Alles voll Essen, aber vieles trifft nicht meinen Geschmack. Ein überraschend großer Teil der Texte überzeugte mich weder stilistisch noch inhaltlich. Dass das alles Kurzgeschichten seien, wird nirgends erwähnt, trotzdem hatte ich es erwartet. Ebenso wie ich erwartet hatte, dass es sich durchweg um Science Fiction handelt. Nicht wenige Texte erzählen jedoch keine Geschichten und einige sind keine Science Fiction. Aber in einem guten Steakhaus finde ich immer ein paar leckere Beilagen und so war es auch hier.

 

 

Meine Lieblingsbeilage war eine ganz und gar nicht vegetarische, die ich in der Realität nie anrühren würde:

 

Wolfgang Mörth: Kusters Kuttelsuppe

 

Ein Schriftsteller trifft auf einem Literatursymposium einen Hund und hat mit diesem eine etwas merkwürdige Unterhaltung. Es geht um Literatur und Kultur, um Ethik und die Frage, was wir für unsere Überzeugungen zu tun bereit sind. Ein unterhaltsamer, langsamer, anregender Text, stilistisch auf hohem Niveau. Nur das Ende fand ich etwas enttäuschend. Der Text ist nicht nur nicht vegetarisch, er ist meiner Meinung nach auch keine SF. Aber gefallen hat er mir trotzdem.

 

Von der eher volkstümlichen Küche geht es dann zu dem, was ich mir noch nie leisten konnte:

 

Kristina Baumgarten: Sterneküche

 

In einer zwielichtigen Kneipe muss eine Person einen Auftrag weitergeben. Es wird stimmungsvoll beschrieben, wie die Person sich überwinden muss, um den Auftrag loszuwerden und sich in diesem Ambiente zu bewegen. Ja, ekliges Essen kann schon sehr eklig sein. Am Ende gibt es eine überraschende Auflösung, die für meinen Geschmack aber dann doch etwas zu gewollt war. Sprachlich holperte der Text für mich an manchen Stellen, da hätte ein Lektorat gutgetan. Diese Schwächen werden aber für mich durch die gekonnt gezeichnete Stimmung wieder wettgemacht. Sehr lecker!

 

Claudia Aristov: Omega und die verschwundene Taverne

 

Omega möchte im Bumms einkehren, einer Taverne, mit der er so viel Positives verbindet, dass er einiges zu tun bereit ist, um sie aufzusuchen. Aber er war seit Jahren nicht mehr dort. Natürlich gibt es allerlei Hindernisse und Verwicklungen, denn wie das mit den Orten so ist, an denen man hängt: Mitunter findet man sie sehr verändert. Das Ganze ist in einer reichen und humorvollen Sprache geschrieben, die mich an Douglas Adams' Anhalter erinnert. Ich gebe zu, dass ich nicht jede Verwicklung nachvollziehen konnte, aber das Ganze ist so unterhaltsam geschrieben und geht um so viele spannende Ecken, dass ich das sehr genossen habe.

 

Dass es zu dem Thema relativ viele humoristische Geschichten gibt, verwundert mich nicht, es lud ja dazu ein. Ebenso verwundert es nicht, dass es eklige oder splatterartige Horrorgeschichten gibt, denn auch dazu lädt das Thema ein. Erstaunt war ich dagegen darüber, dass so wenig verschiedene Ideen zum Thema vorkamen, meines Erachtens hätte zu manchen davon ein Text genügt, zumal es einige Texte gab, die sowohl stilistisch als auch inhaltlich wenig inspiriert wirkten. Kannibalismus ist ebensowenig neu wie Texte über den üppigen Fleischkonsum anderer Arten. Da gibt es Texte, die recht nah an der Klimawandelleugner*innen-Szene operieren und auch Veganer-Bashing fehlt nicht. Daneben sind problematische Darstellungen außerirdischer Indigener und der leider übliche Sexismus zu nennen.

Aber es gab auch einige wirklich überraschende oder gut gemachte alte Ideen:

 

Andreas Fieberg: Durch den Magen

 

Hier treffen Menschen auf Aliens und suchen einen Weg der Kommunikation. Ich will nicht verraten, welchen Kommunikationsweg sie finden. Nur so viel: Er ist witzig und sehr sinnlich beschrieben. Die Geschichte ist kurzweilig, lustig und hat eine überraschende Pointe. Einziger Wermutstropfen: Es gibt in der benannten Crew von fünf Leuten nur eine Frau, die ist Köchin und macht natürlich den einen wichtigen Fehler. Auch hätten die Aliens für meinen Geschmack kein dyadisches Geschlechtersystem bekommen müssen (die Menschen natürlich auch nicht, aber es ist ja Science Fiction, da können so merkwürdige Konzepte wie Zweigeschlechtlichkeit bei Menschen schonmal vorkommen).

 

Zum Schluss möchte ich noch einen Text benennen, den ich unterhaltsam, aber auch schwierig fand: Arme Ritter von Jasmin Mrugowski ist eine spannende und recht klamaukige Geschichte über entführte Köch*innen, die das Leibgericht eines Piraten kochen sollen. Sie enthält abwechslungsreiche Aliens und eine nicht vorhersehbare Plotführung, was wirklich toll ist. Leider arbeitet sie mit recht vielen Stereotypen und betreibt Fatshaming.

Und dann sind da noch die Illustrationen von Lothar Bauer. Es sind drei, alle sehr hochwertig gedruckt und ansprechend. Ich mag vor allem die ersten beiden, die ich als echten Mehrwert empfinde. Während des Lesens hab ich immer mal wieder dorthin geblättert und sie mir angesehen. Davon hätte ich mir mehr gewünscht!

 

So. Nun wäre der Punkt für meine erste kategoriale Einschätzung. Aber was sind gute Kategorien für eine Anthologie? Probieren wir es mal damit:

Aufmachung 2 von 3

Unterhaltung 1 von 3

Textauswahl 1 von 3

Originalität 1 von 3

Diversität 1 von 3

Tiefe 1 von 3

Gesamtfazit: 7 von 18 möglichen Punkten.