Ivan Ertlov: Stargazer 5: Fremde Welten. Selfpublishing

Edelster Trash ;)

Stargazer 5Moment mal, werden vielleicht einige von euch denken: Jol hat doch grad erst Band 1 rezensiert, warum kommt nun Band 5? Tja. Ich wollte es einfach probieren: Ob man auch in der Mitte in diese Reihe einsteigen kann. Antwort: Ja, man kann. Aber ich weiß nicht, ob man sollte.
Der Einstieg fiel mir nicht leicht. Obwohl ich den Großteil des Personals aus Teil 1 schon kannte, hatte ich das Gefühl, nicht durchzusehen. Die Crew ist gewachsen und es gibt ein Stargazer-Konsortium, das es vorher nicht gab. Und das Schiff heißt nicht mehr Stargazer (hieß es das je?), sondern Yrhsa.

„Fremde Welten“ beginnt erst einmal plänkelig: Die Crew, bestehend aus dem Menschen und Kommandanten Frank, Metallschmeckerin Bettsy, der Astrotelepathin Dilara, Sturmkommandant Troshk, Advokat Florbsh und dem Schiff Yrsha, hat offenbar das Universum gerettet, ist dabei fast draufgegangen, dann zusammengeflickt worden und erholt sich von den Folgen. Frank ist (warum genau erfährt man hier nicht) kein Mensch mehr und hat damit Privilegien gewonnen. Es gibt Urlaub und Sex – und dann eine neue Aufgabe: Die Crew soll ein Wurmloch untersuchen, das anders ist als alle anderen Wurmlöcher. Hier gibt es wieder jede Menge Technikblabla und dann wird es auch schon rasant – an dieser Stelle habe dann in den Text gefunden. Denn natürlich springt die Crew durch das Wurmloch – und hängt dort prompt fest.


Wir haben also ein ziemlich klassisches „Crew entdeckt neuen Sektor“-Setting, inklusive diverser popkultureller Anspielungen und Seitenhiebe auf aktuelle und vergangene politische Situationen in unserer realen Welt. Gekonnt greift Ertlov bekannte Narrative auf: Cargokult und Weltraumschlacht, Unterdrücker und Rebellen, Verhandlungen und deren Scheitern - und schafft es dabei durch überraschende Wendungen und einen humorvollen Umgang mit den Versatzstücken, mich bei Laune zu halten. Eine Besonderheit sind dabei die für einen Roman eher untypischen Fußnoten, in denen Ertlov oft die witzigsten Seitenhiebe versteckt, die mit dem Roman nicht das Geringste zu tun haben – und die man überlesen kann, aber nicht sollte, wenn man viel lachen will.
Wie für Ertlov typisch ist die Sprache knackig und gut lesbar und der sexuell aufgeladene Humor, der oft nah am Sexismus schrammt, kommt nicht zu kurz: „Ach hier steckst du, Frank! In der Astrotelepathin“. Ich finde das witzig, besonders weil bei Ertlov Hiebe in alle Richtungen gehen, aber wahrscheinlich ist es fast unmöglich, so etwas in der richtigen Dosis zu vermitteln. Ertlov übertreibt es für meinen Geschmack immer mal wieder, und an diesen Stellen war ich dann etwas genervt, aber im Großen und Ganzen halte ich den Humor, der deutlich macht, dass Ertlov die Sache nicht zu ernst nimmt, für eine ganz große Stärke des Textes. Außerdem gelingt es dem Autor, Spannung zu entwickeln und beizubehalten.
Schwächen sehe ich insbesondere in den Kampfbeschreibungen, in denen Ertlov mit Phrasen und Geschossen um sich wirft – was er meines Erachtens nicht nötig hat. Auch gibt es für meinen Geschmack zu viele Technikbeschreibungen. Sie wirken auf eine Person wie mich, die nur die Hälfte versteht, redundant und dadurch ein wenig langweilig. Etwas irritierend fand ich die Zeitformenwechsel: Der Text ist im Präteritum geschrieben, wechselt aber in einigen Actionszenen ins Präsens. Mir ist klar, dass das für mehr Unmittelbarkeit sorgen soll, aber das hat der Text meines Erachtens nicht nötig. Es ergibt sich dadurch ein ganz witziger Zeitlupeneffekt, der an filmisches Erzählen erinnert.
Insgesamt kann ich also meine Einschätzung, dass das hier für mich zu den Highlights aktueller deutscher Science Fiction zählt, noch einmal bekräftigen. Wer gute Unterhaltung sucht und Spaß an Kalauern und zuweilen derbem Humor hat, wird hier sicher Freude haben.

Unterhaltung: 2,5 von 3 Punkten
Sprache/Stil: 2 von 3
Spannung: 2,5 von 3
Charaktere/Beziehungen: 1,5 von 3
Originalität: 1,5 von 3
Tiefe der Thematik: 1,5 von 3
Weltenbau: 2,5 von 3
Macht 14 von 21 möglichen Punkten.