Highlights 2023 (und einige Notizen)

Lesejahr 2023Wie immer bin ich spät dran mit meinen persönlichen Favoriten des Erscheinungsjahres 2023. Aber da ich sehr gerne gute Texte feiere, möchte ich sie euch doch nicht vorenthalten: meine liebsten Kurzgeschichten, Romane und meine Lieblingsanthologie.

Kurzgeschichten

Mein absolutes Highlight war „Nur du und ich“ von Kris Brynn aus dem FFM 4.

Auf dem zweiten Platz ist „Der Spielplatz“ von Yvonne Tunnat, veröffentlicht in „Jenseits der Traumgrenze“ von Marianne Labisch. Tunnats Geschichte spielt in einem Frauengefängnis und die Insassen schippen Schnee. Die Geschichte verwebt meisterhaft Innen- und Außenwelt, die Handlung ist einerseits sehr sinnlich und real, andererseits bleibt Einiges in der Schwebe. Die Hauptfigur verfügt über ein Implantat, das es ihr ermöglicht, mit ihrem verstorbenen Kind in Kontakt zu bleiben, und langsam entblättert sich die Geschichte dessen, was passiert ist. Es geht um Verantwortung und Schuld und natürlich um den Umgang mit einem kaum aushaltbaren Verlust.

Den dritten Platz teilen sich drei Geschichten: „No Filter“ von Melanie Vogltanz und „Sarah“ von
Clara Maj Dahlke beide veröffentlicht in den Queer*Welten 10. Und „Grüne Herzen“ von Charline Winter aus den Queer*Welten 11.

Ebenfalls begeistert hat mich “Dysfunktion, die” von Lian Stollenwerk-Gans, veröffentlicht in „Homochrom“:
Eine Person kommt mit einem als individuelle Dysfunktion erfahrenen Problem zu einer Firma und ersucht um Hilfe. In atmosphärisch dichter Sprache erfahren wir von dem Besuch der Hauptfigur in der Firma. Dann macht der Text einen Zeitsprung und wie erleben die veränderte, neue Person. Und dann noch einmal eine dritte Veränderung.
Ich liebe es, wie der Text Bilder für emotionale Zustände und Stimmungen findet, wie er geradlinig und doch fragmentiert davon erzählt, wie schmerzlich es sein kann, an der Anpassung an einer Norm zu scheitern, die das eigene Ich nicht mitzudenken scheint. Zum Ende des Textes möchte ich nicht zu viel verraten. Für mich bekommt er es hin, der Hauptfigur eine kämpferische Agenda in den Mund zu legen, ohne dass das aufgesetzt und plakativ klingt. Die gestellte Frage danach, ob Anpassung eigentlich ein guter Weg ist, finde ich eine sehr wichtige und hier gut behandelte.

Romane

Bei den Romanen fällt es mir schwer, meine drei deutschsprachigen Highlights des Jahres zu gewichten, denn alle haben mich auf sehr unterschiedliche Arten berührt. Also teilen sie sich den ersten Platz:
„Unten“ von Maja Ilisch

„Dies ist mein letztes Lied“ von Lena Richter

Und die Übersetzung von „Babel-17“ von Samuel R. Delany (ausführliche Rezi folgt)

Anthologien/Magazine

Mein absolutes Highlight war die zehnte Ausgabe der Queer*Welten, die bereits oben verlinkt ist.

Veranstaltungshighlight

Und wo ich schonmal dabei bin, möchte ich auch noch meine liebste Veranstaltung des Jahres benennen: Es war „Hinterm Mond“ in Leer. Ein schöner Ort, ein sehr interessiertes Publikum und eine tolle Stimmung. Das ganze super organisiert von Norbert Fiks. Wer nachlesen mag, findet hier einen Bericht davon.

Fazit und Ausblick

Ich habe im Erscheinungsjahrgang 2023 ca. vierzig Romane und ungefähr dreihundertfünfzig Kurzgeschichten (davon schon 127 für meine eigene Ausschreibung) zumindest angelesen. Und festgestellt: Ich werde müde. Selbst wenn ich die Messlatte sehr niedrig hänge (Was mag ich zuende lesen?) ist der Anteil guter Texte gering. Wenn ich mir die Frage stelle, was mir wirklich gefällt, was mich bereichert, fällt die Bilanz noch negativer aus. Die Idee, stets einen Überblick haben zu wollen, was im deutschsprachigen Raum so erscheint, muss daher als für mich nicht lebbar abgetan werden. Andererseits gibt es immer wieder Entdeckungen, die mich begeistern, wie die hier benannten Texte, und darum möchte ich auch nicht mit dem Lesen aufhören.

Die nächste Frage ist, wie viele meiner Eindrücke ich in die Welt hinausrufe. Auch wenn die Zugriffszahlen auf den Blog hoch sind, bekomme ich kaum je Rückmeldungen, ob das alles nur Bots oder reale Menschen sind. Hier liegt noch ein großer Stapel Rezensionen aus meinem letzten Lesejahr, die werde ich nach und nach einstellen. 2024 werde ich aber sehr viel ausgewählter lesen. Mehr englisch, mehr nur das, was mich interessiert, und mehr Belletristik. Was das für diesen Blog bedeutet, weiß ich nicht, aber wahrscheinlich läuft es auf weniger Rezensionen hinaus. Ich bekomme wenig Rücklauf und der, den ich bekomme, besteht größtenteils aus Hinweisen darauf, dass ich die Texte a) nicht verstanden hätte oder b) mir mein Urteil nicht anmaßen dürfe und c) ja selbst auch nicht besser schriebe.
Das mag alles sein. Das hier ist nur meine Meinung und die ist vielleicht/hoffentlich für euch Lesende interessant, aber letztlich für alle außer mir völlig unmaßgeblich. Darum ist natürlich die Frage naheliegend, ob ich sie nicht doch öfter für mich behalten sollte. Andererseits weiß ich als Autorx selbst, wie sehr wir darauf angewiesen sind, dass Leute sich die Mühe machen, sich zu äußern und was für ein Geschenk genaue Rückmeldungen sein können. Meine Idee mit diesem Blog ist auch, Ismen in Texten nachvollziehbar aufzuzeigen und zu loben, wenn etwas meiner meiner Meinung nach gut gelungen ist. Wenn ihr Gedanken dazu habt, lasst es mich gern wissen.