Michael Hirtzy: Gutabara. Vorteks 1. Selbstverlag

spannende Kriminalstory im All – leider ohne Auflösung

Hirtzy GutabaraColonel Vardans erhält auf einem Raumschiff eine unerwartete Nachricht: Eine Frau ruft ihn an. Er und die anrufende Frau zicken sich an, beide erscheinen gleichermaßen unsympathisch und unreif und ich frage mich, was ich mit dieser Schilderung soll, zumal ich nicht verstehe, worum es geht.
Dann wechselt die Perspektive zu Val auf der titelgebenden Gutabara, auch dies ist ein Raumschiff. Val ist erste Offizierin, erwacht aus dem Kryoschlaf und erscheint mir sympathischer als Vardans. Dann wechselt der Text zu Jerome, der wohl – vielleicht – nun wirklich die Person ist, um die es geht. Seid ihr verwirrt? Ich auch.
Mich irritierten die vielen Perspektivwechsel. Sie erschwerten mir die Orientierung und verhinderten, dass ich mit einer Person warm wurde. Meine Sympathien lagen am ehesten bei Jerome, wobei ich gern wissen wollte, warum er nach dem Aufwachen unter so starker körperlicher Schwäche leidet. Auch das erweist sich aber als nicht verfolgte falsche Fährte, die bis zum Ende des Buches nicht wieder aufgenommen wird. Jeromes Perspektive bricht einfach ab. Auch Vardans kommt nie wieder vor. Kurz vor Ende wird noch eine neue Perspektive eingeführt, die ebenfalls nicht wieder aufgegriffen wird. Trotzdem ist dieses Buch eines der wenigen, die ich bis zum Ende gelesen habe. Nanu, was ist da los?

Perry Rhodan 3195
Robert Corvus: Der Überläufer. Vorstoß zu FENERIK - ein Schiff will Rache. Pabel-Moewig

rasantes Häh?

PR3195Jol goes Perry Rhodan – wie kommt denn das zustande? Um zu erklären, warum ich mich hier zu einem Perry-Rhodan-Heft äußere, muss ich etwas ausholen. Zunächst die Einordnung: Perry Rhodan ist eine Heftromanserie, die 1961 gegründet wurde und seitdem ununterbrochen wöchentlich erscheint. Ich habe Heft Nummer 3195 gelesen, inzwischen sind mehr als 3200 Hefte erschienen. Die Auflage betrug 2019 jeweils 60.000 Hefte, ich denke, dass kaum ein Science-Fiction-Buch da mithalten kann.
Im Science-Fiction-Fandom entbrennt seit einigen Jahren ein Streit um die Frage, warum Perry-Rhodan-Hefte bei den Genre-Preisen Deutscher Science-Fiction-Preis (DSFP) und Kurd Laßwitz Preis (KLP) so wenig vertreten sind. Einige Stimmen vertreten die Ansicht, dass Perry Rhodan (PR) die deutsche SF enorm geprägt hätte und dass es daher auf einen Mangel bei der Preisvergabe hinweise, wenn PR-Autor*innen in den Nominierungslisten oder unter den Preisträgern kaum auftauchen. Ich für mich kann festhalten, dass ich mit osteuropäischer und ostdeutscher SF aufwuchs. Mit Perry Rhodan kam ich erst als junge erwachsene Person in Kontakt, ein Kontakt der mich so wenig begeisterte, dass ich mir nach dem ersten nie wieder ein zweites Heft gekauft habe. Stattdessen gab es eine John-Sinclair-Phase. Das ist über zwanzig Jahre her und ich bin froh, ihr entwachsen zu sein. Hier soll es nur darum gehen, dass meine SF-Kariere ;) nicht von PR geprägt ist. Mir sagte zwar der Name etwas, mehr aber auch nicht.
Im Scifinet-Forum gab es eine rege Diskussion um die Frage „Preise und PR“, die Diskussion wurde außerdem in einschlägigen Magazinen (Sol, Andromeda Nachrichten) vorangetrieben. Eine herangezogene Erklärung für das Fehlen der Heftromane in den Nominierungslisten war neben der Tatsache, dass beispielsweise der Deutsche Science-Fiction-Preis Heftromane von der Preisvergabe schon qua Statuten bis vor kurzem ausschloss, die Frage, ob Perry-Rhodan-Hefte unabhängig voneinander lesbar seien. Kann man als Lesende*r ohne Kenntnis des Perryversums einfach so ein Heft in die Hand nehmen und lesen? Robert Corvus, einer der 14 Autor*innen im aktuellen PR-Team der PR-Erstauflage (davon drei Frauen) behauptete: Ja. Er behauptete auch, dass es ein Vorurteil sei, dass Heftromane keine Qualität böten und dass die Romane auf der Höhe der Zeit seien und Diversität und Modernität bieten. Darum ließ ich mich auf ein Experiment ein: Ich, als Person, die für den KLP abstimmungsberichtigt ist, lese ein von Robert Corvus empfohlenes PR-Heft und blogge darüber. Hier ist das Ergebnis.

C‘t Storys 2021 und 2022

unterhaltsam, aber durchwachsen

ct allgemeinVor geraumer Zeit habe ich hier ausführlich über die Kurzgeschichten im Computermagazin c’t geschrieben. Inzwischen sind über zwei Jahre vergangen, in denen ich jede einzelne c’t-Story gelesen und auch selbst drei Geschichten in der c’t veröffentlicht habe. Ich kann also vermelden, dass die c’t für Autor*innen jeglichen Geschlechts offen ist – so lange in den Texten keine Neopronomen oder Sternchen vorkommen. Und: Die c’t ist einer der wenigen Orte, an denen für veröffentliche Kurzgeschichten ein Honorar gezahlt wird, dass mehr als nur symbolisch ist. Allerdings wird das Honorar trotzdem der investierten Zeit nicht gerecht (zumindest in meinem Fall nicht). Ein Bonus sind auch die Illustrationen zu den Geschichten.

René Moreau, Hans Jürgen Kugler und Heinz Wipperfürth (Hrsg.): Exodus 45, 10/22

solide, aber ...

Exodus 45Wie immer liegt schon die nächste Exodus hier, wenn ich mit meiner Rezension soweit bin. Diesmal gab es einige Texte, die mich angesprochen haben. Aber auch einiges für mich Schwieriges ...

Uwe Schimunek: KIM

Ein Musiker hat einen Auftritt – und es ist fraglich, wer hier eigentlich die Musik macht. Diese kurze Geschichte hat mich nicht nur gut unterhalten, sondern auch nachdenklich gemacht und fasziniert: „Seit dem letzten Update schleift die Software die Ecken aus meinen Bewegungen und synchronisiert mein digitales Alter Ego auf den Beat ...“ heißt es da. Es ist schwer, darüber zu schreiben, ohne zu spoilern, denn die Stärke des Textes liegt meines Erachtens nicht nur in der sehr eigenen fantasievollen Sprache, sondern in dem, was zwischen den Zeilen verhandelt wird: Ein Weltenbau, der Menschen letztlich überflüssig macht. Die Frage, ob Maschinen Menschen dienen oder umgekehrt, ist keine neue, wird hier aber einmal im Rahmen von Musik verhandelt.

Sven Haupt: Wo beginnt die Nacht. Eridanus

Witziges Cross-over voller Sprachhumor

Haupt Nacht

 

Sven Haupt wirft Lesende sofort in die erste Szene, aus der sie verwirrt in die nächste fallen und so geht es eigentlich immer weiter: Ein offensichtlich alkoholabhängiger Mann, von dem wir später erfahren, dass er Arzt ist, und eine weiße, sprechende, geflügelte Katze reisen in einem durch Zeit und Dimensionen springenden Haus von einer Welt in die andere. Sven Haupt reiht in eindrucksvoller, oft lyrisch anmutender Sprache eine düstere Szene an die nächste. Es sind alles Welten, die gerade zerfallen oder bereits zerfallen sind: „Regen fiel in dichten Schleiern aus einem grauen Himmel, sodass der Eindruck entstand, die grauen Fassaden zerfielen auf halbem Weg den Himmel hinauf einfach in trostlosen Regen und kehrten zum Boden zurück.“ Wie auch in diesem Beispiel ist die Sprache oft atmosphärisch dicht und wunderschön, die gezeichneten Bilder erschließen sich mir aber selten ganz, entweder weil das Dargestellte physikalischen Regeln widerspricht oder weil es unvollständig ist. Darauf muss man sich einlassen.

 

 

Diana Menschig, Grit Richter (Hg.) Die Kaffeefee. Zwischen Chaos-Cappuccino und Magischer Melange. Art Script Fantastik

romantisch anmutende Getränkekarte

Kaffeefee CoverDani Aquitaine: Schwarzrausch

Eine alte Frau lebt allein in einem Haus am Wald und hat gleich zweimal unerwarteten Besuch: Vom Nachfahren ihres verstorbenen Vermieters und von einem fliegenden Fabelwesen. Sprachlich konnte ich in diesen Text gut einsteigen, er liest sich flüssig und ist angenehm phrasenarm. Inhaltlich ist der Text nicht neu und ich ahnte schon früh, dass ihr Wohnrecht natürlich von dem bösen Immobilienerben bedroht ist und sie Hilfe von den Fabelwesen bekommt, um ihren Wohnort zu retten. Dani Aquitaine hat daraus trotz des vielfach bekannten Stoffs einen witzigen und unterhaltsamen Text gemacht, der sich nicht an allen Stellen völlig erschließt, gerade aber durch die sich nicht ernst nehmenden Wendungen besticht.

Annika Franke: Eine Bohne zwischen Himmel und Hölle - Auf den Spuren von Typhon Smirks Kaffee

Journalistin Ophelia ist von ihrem Alltag genervt und strebt nach Höherem. Die etwas hochnäsig und gleichzeitig naiv erscheinende Ophelia lebt mit der Phönixhenne Hope, die ihr sagt, was sie tun soll. Was sie tut, ist altbekannt: Sie versucht, ein Geheimnis herauszufinden – das von Smirks Kaffee –, um eine großartige investigative Journalistin zu sein. Ophelia stellt sich dabei so ungeschickt an, dass (Achtung Spoiler, ggf. erst im nächsten Absatz weiterlesen!) es nicht erstaunt, dass sie das Ganze nicht überlebt, was die Spannung mindert.
Hinzu kommt, dass der Text viele Dinge in der eigentlich interessanten Welt behauptet, anstatt sie uns zu zeigen, so dass wenig Atmosphäre entsteht. Für meinen Geschmack ist der Text zu süßlich und klischeebeladen, auch an Phrasen mangelt es nicht: „Verwünschungen an den Hals werfen“, „mit letzter Kraft“ … Das Ende hält eine kleine Überraschung bereit, aber da ein Phönix nunmal ein Phönix ist, ist auch diese nicht wirklich überraschend.

Kris Brynn: A.R.T. Coup zwischen den Sternen. Knaur

rasante Kunst im Weltall

Cover ARTCaius Fichtner, ein Arzt, der sich auf Kosten seiner Patient*innen zu bereichernd sucht und dabei buchstäblich über Leichen geht und Savoy Midthunder, eine frisch im Job angekommene Sicherheitsexpertin, die Kunstobjekte bewacht – das sind die Protas dieses Romans. Die Figuren werden rasch eingeführt und gelungen durch spezifische Beschreibungen charakterisiert: Savoy hat die Angewohnheit, in der Aufregung Palindrome zu rezitieren und Caius orientiert sich nur an Marken, ein Chauvinist, der sich ausschließlich für sich selbst interessiert.

Ich mochte die Sprache dieses Buches mit ihren eigenwilligen Vergleichen, den Bezügen zu bildender Kunst und sprachlicher Schönheit im Wechsel mit flappsigen Dialogen; ein gekonntes und gut gemachtes Spielen zwischen hochsprachlichen Kunstbeschreibungen, die mich als Kunstlieberhaberx wirklich beglückt haben, und umgangssprachlichen Bemerkungen. Ein Beispiel dafür sind die Zitate aus Savoys Tagebuch, das den vielsagenden Titel „Dies ist kein Apfel“ trägt, ein Titel, der in mir sofort eine Vielzahl an Assoziationen hervorruft, von Apple, über Adam und Eva bis hin zu Magrittes „Dies ist keine Pfeife“. Ein anderes Stilbeispiel: „Ungesagtes versteckten sie in verbalen Ornamenten unter einem doppelten Boden, dessen Öffnungsmechanismus Savoy erst entdecken musste.“
Im Buch kommen zahlreiche Kunstwerke und bekannte Designobjekte vor, reale wie fiktive, und es gelingt Brynn meisterhaft, die Wirkung dieser Kunstwerke auf die verschiedenen Betrachter*innen zu beschreiben und mich dadurch zu berühren. Schwierigkeiten hatte ich damit, dass Caius so unsympathisch ist. Ich wollte ihm nicht folgen; war angewidert, als er eine Patientin mal eben fast sterbend auf die Straße wirft, weil sie kein Geld hat. Es wird dann aber recht schnell klar, dass es Caius an den Kragen geht – ich folgte ihm also, weil ich hoffte, dass er seine Strafe erhält, und hatte eine diebische Freude daran, zuzusehen, wie sich seine Situation rapide verschlechterte. Allerdings mochte ich mich selbst dabei nicht sonderlich, denn Schadenfreude ist kein Zug, den ich sehr schätze. ;)
Brynns Protas – es kommen noch einige hinzu – sind alle nicht sonderlich sympathisch und auch alle in ihren Motivationen und Handlungen einigermaßen rätselhaft: Neben Savoy und Caius sind da die Assistenzärztin Gitta, Savoys Ex-Freundin Lizzy, eine Nonne, und noch so einige Figuren, die mir nach und nach ans Herz wuchsen.

Annika Beer: Succession Game. Piper

spannend und sprachlich schön

succession game taschenbuch anika beerIch mag die Sprache dieses Buches, die eigenwilligen Vergleiche und Beschreibungen, die gelungenen Beobachtungen der Charaktere. Einige Zitatbeispiele:

„„Komm“, sagte er mit einer Stimme, die sich leise und eigentümlich weich anfühlt.““

oder

„Hathis Gesicht sah irgendwie grau aus. Wie sie auf einer der Bänke hockte, fest in ihre senfgelbe Strickjacke gewickelt, die Knie bis unters Kinn gezogen und mit einer Miene, als wäre sie am liebsten in ihre Thermosflasche gekrochen.“

Ich finde, das ist atmosphärisch schön, sprechend, und doch leicht lesbar.

Mich hatte der Text auch gleich am Haken, allerdings habe ich mich dann etwas in den vielen Ebenen und Charakteren verloren: Da sind Lynn und Rafael , zwei Ärzt*innen, die einmal ein Paar waren und die die Spieler*innen des Spiels betreuen, das im Zentrum des Buches steht. Da ist eine WG mit drei Leuten, die das Spiel ansehen, wobei eine Person davon im Hintergrund Designs für das Spiel erstellt. Und da sind die Spieler*innen selbst, zehn Personen, von denen ich mir nur drei gemerkt habe: Die Wolfsperson, Theo, der bislang vier Mal in Folge das Spiel gewonnen hat, und Clue, eine Privatdetektivin.
Auch wenn die Charaktere sehr gut eingeführt werden, hat das Buch für mich dann einen Hänger: Ich verstehe nicht, warum irgendwer dieses Spiel spielen sollte, was die individuellen Gründe der Mitspielenden sind, sich dem auszusetzen. Dadurch fehlt dem Buch für mich die Tiefe. Auch werden die einzelnen Personen zwar wirklich gelungen eingeführt, es gibt aber dann nicht wirklich eine Vertiefung, sie bleiben eher wie Holzschnitte – wenn auch recht differenzierte. Es dauerte eine Weile, bis bei mir der Verdacht auftauchte, dass das damit zu tun hat, dass die Personen nur Personas sind, also Spielcharaktere, – und dass sie auf das, was sie wirklich sind, während des Spiels nur begrenzten Zugriff haben. Daraus ergibt sich dann die Schwierigkeit, den Weltenbau um das Spiel herum zu beschreiben, die Bedeutung des Spiels für die Welt klar zu machen, denn das wäre ja genau das, was den Personas verloren ging.
Es wird zwar irgendwann in einem Satz erklärt, wer das Spiel spielt, aber das ist für mich zu wenig. Auch was eine Persona ist, bleibt vage, und auch, wie die Drogen, die die Spielenden bekommen, wirken. Meines Erachtens hätte Annika Beer hier die Perspektiven, die im Außen spielen, etwas besser nutzen können um dieses Außen zu zeigen.