Sven Haupt: Stille zwischen den Sternen. Eridanus
ethische Fragen lyrisch verhandelt
Ich gebe zu: Ich habe dieses Buch zunächst links liegen gelassen – und zwar wegen des mich nicht ansprechenden Covers. Ich erwartete eine süßliche Romance-Geschichte und die sind gar nicht mein Ding. Dann wurde es aber für den DSFP nominiert – und ich bin froh, dass ich das zum Anlass genommen habe, dann doch einmal reinzulesen.
Der Einstieg ließ mich zunächst verwirrt zurück: Da lese ich angeblich Aufzeichnungen einer KI und die weiß etwas, was niemand beobachtet hat und daher auch niemand wissen kann. Und dann gibt es (scheinbar) eine zweite KI, die Gefühle und eine Mutter hat – wie kann das sein?
Die Welt, die Haupt baut, wird nur sehr langsam etwas verständlicher, wobei bis zum Ende zahlreiche Fragen offen bleiben. Gleichzeitig entwickelt der Text schnell einen Sog, der nicht eigentlich in Spannung besteht – was passiert, bleibt unklar, vage, irgendwie zwischen Realität und Traum oder auch Wahn.
Das größte Rätsel an diesem Text ist, wie er es schafft, mir Rätsel über Rätsel aufzugeben, mich trotzdem bei der Stange zu halten: Viele der recht kurzen Kapitel bestehen nur aus Gedanken einer KI, es gibt keine wirkliche Handlung und die Erzählweise ist nicht chronologisch, sondern springt zwischen mindestens drei Zeitebenen hin und her (so sicher bin ich mir bei der Anzahl nicht), ohne dass mir ersichtlich wird, warum diese Art der Erzählung gewählt wird. Da sind angebliche Tagebuchauszüge, aber keiner davon ist in der Ich-Form. Auch die Protagonist:innen werden nicht recht fassbar: Da ist Hien, ein Mensch-Maschinen-Wesen, das vielleicht nie wirklich menschlich war. Und da ist die KI Jane, die auf Hien aufpassen soll, aber sehr viel menschlicher wirkt als diese. Daneben gibt es einen Vorgesetzten von Hien und einen Militärpsychologen – wobei sehr schnell sichtbar wird, dass Hien beiden meilenweit überlegen ist, was ihre Handlungsmöglichkeiten angeht – und gleichzeitig meilenweit unterlegen, denn sie scheint nicht in der Lage, irgendeine Form von wirklicher Beziehung einzugehen. Das ist das Spannungsfeld, das der Text für mich aufmacht: Fragen rund um Menschlichkeit und Beziehungsfähigkeit, um Ethik und Machbarkeit, die vage bleiben und gerade deshalb so spannend sind, denn auch in unserem Alltag lassen sie sich erfahrungsgemäß selten wirklich fassen.