Janna Ruth: Memories of Summer. Wer bist du ohne Vergangenheit. Moon Notes.
Einfühlsam und spannend
Der Einstieg in diesen Text ist mir leichtgefallen: Ich mochte die Sprache und die Art, wie mich Ruth gleich in den Text warf: Das erste Kapitel beginnt damit, wie der Protagonist Mika vor einem Schaufenster steht und das Objekt seiner Begierde, einen neuen Tablet-PC, bewundert. Dann geht er Erinnerungen spenden und trifft dort eine junge Frau, die eine ehemals sehr enge Freundin von ihm war (Lynn) – an die er sich aber nicht mehr erinnert. So ist das zentrale Konfliktfeld des Textes schon auf den ersten Seiten aufgemacht: Wie viel sind Erinnerungen wert?
Der Roman ist aus der Sicht von Mika geschrieben, der gerade dabei ist, erwachsen zu werden und seinen Schulabschluss macht. Eigentlich mag ich Texte im Präsens nicht, aber Mikas Erzählstimme hat mich so gut mitgenommen, dass ich ihm gern gefolgt bin. Mika scheint ein sozialer, etwas nerdiger, zugewandter Typ, der einerseits fast alles tut, um die neuesten Gadgets zu haben, andererseits aber auch sehr fürsorglich ist, wenn es um Freund:innen oder seine Familie geht. Das Ganze ist in einer etwas flapsigen, zu einem Jugendlichen passenden Sprache geschrieben, mit leicht kitschigen Einschüben, die ich Ruth verzeihen konnte, weil sie stets nur kurz sind (auch in diesem Text brechen einige Herzen – eine Formulierung, die ich eigentlich nicht mehr lesen möchte). Lynn, die zweite Hauptperson, wirkt von Anfang an weicher, aber sie ist auch ehrgeizig. Und sie ist depressiv, was gelungen beschrieben ist. Allerdings kommt ihre Therapeutin in dem Text nicht gut weg, was ich als Person des selben Faches natürlich schade finde.