Enttäuschung oder Geschmackssache?

Mit dieser Anthologie habe ich mich schwer getan. Und ich weiß immer noch nicht, ob es schlau ist, etwas darüber zu schreiben, denn ich sage es gleich vorweg: Mein Hauptgefühl nach der Lektüre ist Enttäuschung. Ich habe diese Anthologie sehnlich erwartet und mich geärgert, dass ich die Ausschreibung verschlafen habe: Eine Anthologie, die meine beiden Lieblingsthemen und Berufsfelder verbindet: psychische Störungen und Science Fiction. Das, so dachte ich, muss grandios werden!
Womit ich nicht gerechnet hatte: Natürlich habe ich einen sehr eigenen Geschmack und natürlich ist mein Blick auf diese beiden Themen auch von meinem Standpunkt geprägt. Zu diesem gehört es, dass ich nicht nur als genderqueere Person therapeutisch und schreibend arbeite, sondern dass ich den psychotherapeutischen Beruf ergriffen habe, nachdem ich in meiner Jugend selbst psychotherapeutische Hilfe gebraucht und als enorm hilfreich erfahren hatte. Ich lese also nicht nur als Fachperson, sondern auch als Betroffene. Ein wichtiges Augenmerk für mich ist daher Entstigmatisierung. Was ich erwartete, waren Geschichten mit psychisch erkrankten Hauptfiguren, die mit, trotz oder wegen ihrer Störungen Probleme lösen. Ich nahm an, es gäbe Handlungen, bei denen die Diagnosen nicht zentral sind, und sich selbst ermächtigende Protagonist:innen. Ich wurde enttäuscht.
Nun ist es unfair, einem Buch vorzuwerfen, dass es meine Moralvorstellungen und meinen Geschmack nicht getroffen hat. Trotzdem ist dieser Text letztlich Ausdruck genau diesen Vorwurfs. Ich hoffe, dass er trotzdem lesenswert ist und es mir gelingt, einige der Klischees und Stigmata rund um psychische und psychiatrische Erkrankungen zu thematisieren. Und ich hoffe auch sehr, dass ich einmal die Möglichkeit haben werde, ein Projekt zu verwirklichen, das meinem Traum entspricht. Aber bis es soweit ist: Hier mein Senf zu „Diagnose F“.